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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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schwere Stahltüren ersetzt.
    Irgendwie erschien mir das alles völlig surreal. Da wollte man sich als Familie einfach nur ein kuscheliges Zuhause schaffen, endlich ankommen und den Kindern einen Ort bieten, an dem sie sich aufgehoben fühlen. Und was wurde aus diesem Vorhaben? Tatsächlich ein richtiger Staatsakt. Denn mit all den Kameras war es ja noch lange nicht getan. Um das Haus gezielt abzusichern, pochten die LKA-Beamten auf eine besondere Einzäunung. Die harmloseste Variante waren massive Klinkermauertürmchen und dazwischen ein Stahlzaun, beides etwa zwei Meter hoch. Mit diesem Vorschlag konnte ich mich noch am ehesten anfreunden. Dabei dachte ich auch an unsere Nachbarn, denn das Haus war vorher sehr offen gestaltet. Und genauso wie ich keine Lust hatte, jeden Morgen von der Küche aus beim Brötchenschmieren auf eine massive, düstere Mauer zu starren, denn das war eine der Alternativen, wollte ich das auch meinen Nachbarn nicht antun.
    Die Umbauphase dauerte eine gefühlte Ewigkeit und tatsächlich wesentlich länger, als mein Mann und ich dachten. So hatten wir die Wohnung in der Spinozastraße zu Ende Januar gekündigt und zogen Anfang Februar auf eine Großbaustelle. Stahlbauer, Techniker, Maurer, Elektriker – morgens um 7 Uhr klingelten die ersten von ihnen. Die Maßnahmen des LKA liefen parallel zu unseren eigenen und teilweise tummelten sich so an manchen Tagen zwischen zehn und 15 Arbeiter bei uns im Haus. Ich spürte in mir manchmal Argwohn und dachte: »Jetzt übertreibt es doch nicht. Schottet uns hier, im beschaulichen Großburgwedel, nicht so ab!« Daher habe ich denn bei dem Vorschlag, auch um den Garten besser eine hohe Mauer zu ziehen, freundlich, aber bestimmt interveniert. All die Kameras, von denen aus die Bilder permanent an die Polizeistation übertragen wurden, waren doch schon genug. Leander und Linus sollten im Garten Fußball spielen und im Sandkasten sitzen können, ohne dabei das Gefühl zu haben , völlig eingekesselt zu sein. Zum Glück zeigten sich die Beamten verständnisvoll, und so haben wir als Gartenabgrenzung heute einen normal aussehenden etwa 180 Zentimeter hohen Zaun und viele Sträucher.
    Das sicher Skurrilste bei all den Sicherheitsvorkehrungen durch das LKA war aber die Planung des sogenannten Panikraums. Das ist ein besonders gesicherter Raum, der uns zum Rückzug bei einer eventuellen Bedrohung durch Einbrecher oder auch Attentäter dienen sollte. Als die Beamten des Landeskriminalamtes zum ersten Mal davon erzählten, dachte ich noch nichts Schlimmes. Ich assoziierte mit diesem Wörtchen »Panikraum« ein Zimmer im Keller, irgendwo dort in der hintersten Ecke. Ebenso zog ich das Gästezimmer in Betracht, mit seinen etwa zwölf Quadratmetern zwar klein, aber absolut ausreichend. Aber ich lag mit meinen Gedanken komplett daneben. Leider ist es so, dass ich über all die Beeinträchtigungen innerhalb des Hauses nichts sagen darf, obgleich es sicher sehr amüsant wäre. Doch angesichts des Gesetzgebers und einer zu neugierigen Presse habe ich sozusagen Maulkorbpflicht. Nur so viel: Es ist wenig charmant, in einem Privatraum keinen Handyempfang zu haben und überdies Stahltüren, die selbst Linus als Vierjähriger nicht geöffnet bekommt.
    Ende April 2008 waren die Bauarbeiten dann endlich abgeschlossen. Über das Ergebnis wurde ja auch so einiges in den Medien geschrieben. Überschriften wie »Wenn das Land den Panikraum zahlt« oder Bezeichnungen von wegen »Trutzburg« waren keine Seltenheit. So etwas zu lesen, hat mich teilweise verärgert und verletzt. Wir hatten uns das ja nicht ausgesucht. An die Sicherheitsmaßnahmen, die wir schon so gering wie möglich halten wollten, mussten wir uns ja als Familie gewöhnen, und sie bedeuteten eben auch Einschränkungen. Seien es die schweren kinderunfreundlichen Türen oder aber auch die scheinbar festungsähnliche Aufmachung des Hauses. Trotzdem bin ich immer noch sehr glücklich, das Haus gefunden zu haben, und fühle mich total wohl in unseren vier Wänden.
    Nur manchmal kommt es zu seltsamen Situationen. So liegt das Haus in einer Straße mit Wendehammer. Gerade am Wochenende radeln gerne Pärchen jeglichen Alters in unsere Straße, halten plötzlich wie scheinbar zufällig vor unserem Haus, weil sie meinen, kurz husten oder sich am Rücken kratzen zu müssen, und starren dabei – natürlich auch völlig zufällig – in unsere Küche. Besonders in der Zeit kurz nach dem Rücktritt nervte mich dieser
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