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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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das Herz gebrochen, als sie hatte mit ansehen müssen, wie das Bild zur Tür hinausgetragenwurde. »Seitdem fragen die Kunden in der Galerie nach weiteren Gemälden von Mom. Und in Whitechapel ist das offenbar genauso.«
    »Das musste doch passieren, Erin. Kunstliebhaber sind, was die Werke eurer Mutter angeht, im Moment sehr empfindsam. In ein paar Wochen werden sie ihr Interesse auf etwas anderes verlagern.«
    Erin mochte ihren Ohren kaum trauen. »So wie du dein Interesse auf etwas anderes verlagerst, Dad.«
    »Erin!«, empörte sich Gareth. »Wie kannst du so etwas sagen? So redest du mit mir nie wieder, hast du verstanden? Eure Mutter hat mir unendlich viel bedeutet. Ich würde sie auf der Stelle zurückholen, wenn ich nur könnte. Aber wir beide wissen, dass das nicht möglich ist.«
    Erin wünschte, sie wäre nicht so aufbrausend gewesen, doch sie war einfach zu verletzt. »Wenn du Mom wirklich geliebt hättest, dann hättest du dich nach so kurzer Zeit nicht mit dieser Frau eingelassen, Dad.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief weinend die Treppe wieder hoch.
    Als Erins Onkel Cornelius seine Wohnungstür aufschließen wollte und seine Nichte auf der Treppe sitzen sah, konnte er deutlich erkennen, dass sie geweint hatte.
    Sie war erleichtert, dass sie ihn antraf, denn er war geschäftlich in Thailand gewesen, und sie hatte nicht genau gewusst, wann er wieder zurück sein wollte. Als Erstes fiel ihr seine tiefe Bräune auf. Wie ein Thai sah er aus.
    »Hallo, Onkel«, sagte sie. »Seit wann bist du zurück?«
    »Seit gestern Abend, Erin. Geht es dir nicht gut?« Cornelius bat sie in die Wohnung.
    »Ich bin … einfach nur froh, dich zu sehen«, sagte Erin. Ihr war klar, dass ihr Onkel in den Zeitungen noch nichts über ihren Vater und Lauren gelesen haben konnte, wenn er gerade erst zurück war. »Wie war Thailand?«
    »Brüllend heiß, aber die Reise war ein Riesenerfolg. Ich habe ein paar herrliche Saphire gekauft.«
    Cornelius wusste, dass Erin ihre Mutter vermisste. Auch er vermisste seine einzige Schwester schrecklich. Zu wissen, dass sie bei seiner Rückkehr nach London nicht da sein würde, war kaum zu ertragen gewesen. Er und Jane hatten einander sehr nahegestanden, vor allem seit er seine Frau Corinna nach deren drei Jahre andauerndem Kampf gegen den Krebs verloren hatte. Der Tumor war entdeckt worden, nachdem sie jahrelang vergeblich versucht hatte, schwanger zu werden, und sich schließlich gründlich hatte untersuchen lassen.
    »Möchtest du einen Brandy?« Cornelius fand, dass seine Nichte so aussah, als ob sie eine kleine Stärkung gebrauchen könnte. Sich selbst schenkte er auch ein.
    Erin spürte, dass Cornelius darauf wartete, dass sie etwas sagte, nachdem sie angestoßen hatten, aber das fiel ihr schwer. Sie wusste, ihr Onkel wäre wütend auf ihren Vater, er hatte ihr jedoch immer solch wunderbare, hilfreiche Ratschläge gegeben. Und genau das brauchte sie jetzt mehr denn je.
    »Du vermisst deine Mom sehr, stimmt’s?«, fragte Cornelius.
    Erin nickte unter Tränen. »Ich kann einfach nicht glauben, dass sie für immer fort ist.«
    »Ich vermisse sie auch«, gab Cornelius zu. »Ich wünschte, ich könnte sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt, aber das trifft auf mich anscheinend nicht zu.« Die Zeit hatte den Schmerz über Corinnas Verlust nicht gelindert. Wenn überhaupt, vermisste er sie mit jedem Jahr nur noch mehr.
    Seine Schwester Jane war jünger gewesen als er, ihr Tod war plötzlich gekommen und ein schwerer Schock für alle gewesen. Sie hatte in ihrem Atelier im Dachgeschoss an ihrer Staffelei gesessen und gemalt und war einfach tot umgefallen. Bei der Obduktion hatte sich herausgestellt, dass sie ein Aneurysma im Gehirn gehabt hatte, das gerissen war. Der Tod war sofort eingetreten. Niemand hatte ahnen können, dass so etwas passierenwürde, in den Stunden davor hatte sie kaum mehr als leichte Kopfschmerzen verspürt.
    »Ja, es ist schrecklich, deswegen bin ich jedoch nicht so aufgeregt, Onkel Cornelius«, sagte Erin.
    »Was ist denn dann? Geht es Bradley nicht gut?«
    Bradley war ein vollkommen gesundes Kind gewesen, bis er mit sieben Jahren an Kinderlähmung erkrankt war. Die Ärzte hatten Gareth und Jane gesagt, er würde nie wieder gehen können. Gareth hatte beschlossen, diesen Schicksalsschlag zu akzeptieren und mit Würde zu tragen, und seine Traurigkeit nicht gezeigt. Doch Jane hatte sich voller Wut geweigert hinzunehmen, dass ihr Sohn dauerhaft mit einer
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