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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen
Autoren: Clive Barker
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allerletzte Dummheit ihrer Rasse, aber sie rechtfertigte ihre Existenz vielleicht, wenn sie schnell genug detonierte. Aber kein Flackern war auf der Plattform zu sehen. Die Bombe hing in ihrer Wiege wie ein gewickeltes Baby und weigerte sich zu erwachen.
    Kissoon lebte immer noch und hielt den Augenblick immer noch fest. Sie ging zu den Trümmern in der Hoffnung, ihn zu finden, und in der noch vergeblicheren Hoffnung, seinem Leben mit ihren eigenen Händen ein Ende zu bereiten. Je näher sie kam, desto deutlicher wurde ihr bewußt, daß die
    Aufwärtsbewegung der Klumpen zielstrebig war. Sie ordneten sich zu Schichten und schlangen die Auswüchse so ineinander, daß sie einen riesigen Vorhang bildeten. Er stand bereits neun Meter hoch in der Luft, und mit jeder Welle, die
    herüberschwappte, kamen mehr Klumpen - ihre Zahl wuchs exponential zum Durchmesser des Schismas.
    Sie suchte in dem Mahlstrom nach einer Spur von Kissoon und fand ihn und Jaffe auf der anderen Seite der Trümmer, die die Zimmer gewesen waren. Sie standen einander von
    Angesicht zu Angesicht gegenüber und hatten die Hände um den Hals des jeweils anderen gelegt. Jaffe hielt immer noch das Messer in der Faust, wurde aber von Kissoon daran gehindert, es zum Einsatz zu bringen. Dennoch war es schon emsig gewesen. Rauls ehemaliger Körper war mit Stichwunden
    übersät, aus denen Blut strömte. Die Schnitte schienen Kissoon nicht geschwächt zu haben. Während sie ihnen entgegenging, riß der Schamane an Jaffes Hals. Fleischfetzen lösten sich.
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    Kissoon hakte sofort nach und riß die Wunde weiter auf. Sie lenkte ihn mit einem Schrei von seinem Angriff ab.
    »Kissoon!«
    Der Schamane sah in ihre Richtung.
    »Zu spät«, sagte er. »Die Iad sind fast da.«
    Sie tröstete sich, so gut es ging, mit diesem fast.
    »Ihr habt beide verloren«, sagte er und versetzte Jaffe einen Schlag mit der Rückhand, der diesen von ihm weg und zu Boden schleuderte. Der zerbrechliche, knochige Körper landete nicht schwer; dazu wog er nicht genug. Aber er rollte ein Stück weg, und das Messer fiel Jaffe aus der Hand. Kissoon warf seinem Gegner einen verächtlichen Blick zu, dann lachte er.
    »Armes Flittchen«, sagte er zu Tesla. »Was hast du erwartet?
    Eine Atempause? Einen grellen Blitz, der sie alle vernichtet?
    Vergiß es. Das wird nicht geschehen. Der Augenblick ist festgehalten.«
    Er kam auf sie zu, während er sprach, aber er kam, bedingt durch die zahlreichen Wunden, langsamer als gewohnt.
    »Du hast eine Offenbarung gewollt«, sagte er. »Und jetzt hast du sie. Sie ist fast da. Ich finde, du solltest deine Unterwürfigkeit zeigen. Das wäre nur recht und billig. Laß sie deine Haut sehen.«
    Er hob die Hände, die blutig waren, wie damals in der Hütte, als sie zum ersten Mal das Wort Trinity gehört und ihn mit dem Blut von Mary Muralles befleckt gesehen hatte.
    »Die Brüste«, sagte er. »Zeig ihnen die Brüste.«
    Tesla sah, wie Jaffe ein gutes Stück hinter ihm aufstand.
    Kissoon entging die Bewegung. Er hatte nur Augen für
    Tesla.
    »Ich glaube, ich sollte sie für dich entblößen«, sagte er. »Gestatte mir, daß ich dir diesen Gefallen tue.«
    Sie wich nicht zurück, leistete keinen Widerstand. Statt dessen machte sie ihr Gesicht vollkommen ausdruckslos, wußte sie doch, wie sehr ihm das Fügsame gefiel. Seine blutigen 756
    Hände waren ekelerregend, der Ständer, der gegen den nassen Stoff seiner Hose drückte, war noch ekelerregender, aber es gelang ihr, den Ekel zu verbergen.
    »Gutes Mädchen«, sagte er. »Gutes Mädchen.«
    Er legte die Hände auf ihre Brüste.
    »Was würdest du sagen, wenn wir aus gegebenem Anlaß
    ficken?« sagte er.
    Es gelang ihr nicht ganz, das Zittern zu unterdrücken, das sie bei seiner Berührung und dem Gedanken überkam.
    »Gefällt es dir nicht?« sagte er plötzlich argwöhnisch. Er sah nach links und begriff die Verschwörung. Eine Andeutung von Angst stand ihm in den Augen. Er wollte sich umdrehen. Jaffe war zwei Meter von ihm entfernt und kam näher; er hatte die Klinge über den Kopf gehoben, und ihr Glanz war ein Echo von Kissoons glänzenden Augen. Zwei Lichter, die zusammengehörten.
    »Nicht...«, begann Kissoon, aber das Messer sauste herunter, bevor er es verhindern konnte, und stieß in sein aufgerissenes rechtes Auge. Diesmal schrie Kissoon nicht, sondern stieß Atem in Form eines langgezogenen Stoßseufzers aus. Jaffe zog das Messer heraus und stach noch einmal zu; der zweite Stich war so akkurat
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