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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus
Autoren: Sandra Henke
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schmerzhaft gezwickt hatte, hielt er ihr den Mund zu, ohne damit aufzuhören, in sie einzudringen. Lächelnd sah er sie über seine Hand, die ihre Lippen verschloss, hinweg an und stieß härter zu.
    Dieser Mann war unglaublich! Hilflos und ausgeliefert lag sie unter ihm, zumindest machte es den Anschein. In Wahrheit hätte sie in diesem Augenblick nirgendwo anders als in diesem Hotelzimmer sein wollen. Dieser gestählte Oberkörper, die Tätowierungen, die ihm das Aussehen eines wilden Stammeskriegers verliehen, und seine hemmungslose Art, sie zu nehmen, brachten sie fast um den Verstand.
    Als Lucille kam, schrie sie ihre Lust heraus, schrie sie in seine Handfläche und krallte sich an seinen starken Armen fest, da er sich weiterhin in ihr bewegte, in diesem übersensibilisierten Fleisch zwischen ihren Schenkeln, bis auch er kam.
    Noch in derselben Woche beging sie ihren zweiten und dritten Fehler.
    Der erste bestand darin, sich Hals über Kopf in Richard zu verlieben. Allein der Gedanke, nach Boston zurückkehren zu müssen, in die Einsamkeit ihrer Wohnung und die Tristesse ihres Alltags, zerriss sie innerlich. Seine Zuneigung war wie Balsam für ihre Seele. Sie fühlte sich ihm so nah, da auch er in einfachen Verhältnissen aufgewachsen war und das geschafft hatte, was Lucille noch erreichen wollte: es zu etwas bringen, aus eigener Kraft.
    Doch bisher hatte sie auf ihre Bewerbungen nach dem Studium nur Absagen kassiert und würde weiterhin im Café arbeiten müssen. Kein anspruchsvoller Job, keine Liebe. Sie bewunderte Richard! Und sie fühlte sich wohl bei ihm, beschützt und geliebt.
    In den darauffolgenden Tagen trug er sie auf Händen. »Meine Göttin« nannte er sie. Noch nie hatte irgendjemand solch ein Kosewort für Lucille ausgewählt! Das erste Mal in ihrem Leben fühlte sie sich geschätzt.
    Doch die Verliebtheit allein wäre nicht so schlimm gewesen. Lucille wäre darüber hinweggekommen. Allerdings machte sie den gravierendsten aller Fehler, aus einer Laune heraus, aus Verzweiflung, aus Naivität, da sie im Rausch der Lust – Richard schlief mehrmals täglich mit ihr – Sex mit Liebe verwechselte und weil ihr Leben schon immer Haken geschlagen hatte, zum Beispiel, als die Behörden sie mit fünf Jahren von ihrer Mutter wegholten, und später, als sie sich mit achtzehn Jahren von ihren Pflegeeltern losgesagt hatte.
    Nun, mit vierundzwanzig, nahm Lucille Blunt eben Richards spontanen Heiratsantrag genauso spontan an, um sich zum dritten Mal in ihrem Leben neu zu erfinden, und mit der Hoffnung, endlich ein Zuhause gefunden zu haben.

3
     
    Einen Monat später hieß sie Lucille Dawson und residierte in einem Penthouse in Washington, D. C. Sie besaß eine Limousine mit Chauffeur, eine schwarze Amex und unbegrenzten Zugriff auf Richards Konto, zumindest auf das offizielle – denn dass er Geld am Fiskus vorbeischleuste, bekam sie mit, als Jack Caruso ihn besuchte und eine Andeutung machte.
    Richard war immer wieder aufs Neue erstaunt, dass Lucille seine Großzügigkeit nicht ausschöpfte. Durch die neu gewonnene Freiheit, nicht arbeiten zu müssen, besuchte sie lediglich einige Pilates- und Yogakurse. Sie kaufte sich neue Garderobe, da sie keinerlei Kleidung für die Gesellschaft besaß, in der ihr Ehemann sich bewegte. Maniküre und Friseur standen nach einem Monat wöchentlich auf dem Programm. Jedes Mal ließ sie sich ihre Haare in einer anderen Farbe tönen, um dieses enervierende Schwimmwestenorange nicht mehr im Spiegel erblicken zu müssen.
    Lucille wollte die Chance nutzen, sich zu verändern, sich neu zu entdecken – sich das erste Mal in ihrem Leben um sich selbst zu kümmern.
    Erst als die Blätter von den Bäumen fielen, merkte sie, wie viel Zeit vergangen war, ohne dass sie sich weiterhin um eine Arbeitsstelle bei einer Firma für Gartenbau und Landschaftsplanung bemüht hatte.
    Aus Freiheit wurde Langeweile.
    Auch nach den ersten Monaten bestand ihre Ehe nur aus Sex. Da Richard oft geschäftlich unterwegs war, sahen sie sich selten. Wenn er zu Hause war, gingen sie immer auf Partys und landeten danach – nein, nicht im Bett, sondern überall anders – auf dem Teppichboden, dem Küchentisch und der Motorhaube seines Lamborghinis. Erst danach legten sie sich in die Federn, jeder auf seine Seite.
    Lucille hatte zu viel Zeit zum Nachdenken. Das war sie nicht gewohnt – es störte sie! –, denn je mehr sie grübelte, desto unwirklicher erschien ihr ihre Ehe. Sie hatte geglaubt, mit Richards
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