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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus
Autoren: Sandra Henke
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»Guten Morgen, Mr Bellamy. Ich freue mich, für Sie arbeiten zu dürfen.«
    »Freuen?« Das würde ihr bald vergehen. Überrascht vom herausfordernden Unterton in seiner eigenen Stimme neigte er sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf der ledernen Schreibtischunterlage ab. »Sie sollten mir danken, das trifft es wohl eher.«
    Ihre rechte Augenbraue hob sich missbilligend, nur kurz, aber es war Craig nicht entgangen. Seine Mundwinkel zuckten.
    Er hatte sich Kirby Lamar anders vorgestellt. Da er wusste, dass sie aus armen Verhältnissen stammte, reich geheiratet hatte und tief gefallen war, hatte er mit einem platinblonden Frauchen mit Schlauchbootlippen und einem Doppel-D-Dekolleté gerechnet. Eben eine dieser Jetset-Barbies, die aussahen, als wären sie geklont – identisch, austauschbar und von einem Gott in Weiß glatt poliert und in Form gebracht wie ein Speckstein. Atmende Love Dolls, die leichtfertig ihre Beine breit machten, um in die High Society einzuheiraten.
    Doch Kirby war klein und zierlich mit flachem Bauch und Po und kleinen Brüsten. Selbst ihre Lippen waren schmal. Ihre schulterlangen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden, doch einige mandarinenfarbene Haarsträhnen hatten sich gelöst und hingen ihr ins Gesicht.
    Hätte es sich bei ihrer Anstellung nicht um einen Gefallen für McCarthy gehandelt, würde Kirby heute nicht vor ihm stehen, denn Patrick hätte die junge Frau im Leben nicht eingestellt. Amüsiert beobachtete Craig, wie sein Butler ihren Schopf mit gerümpfter Nase beäugte, als würde er gleich nach der Schere auf Craigs Schreibtisch greifen, um ihr einen richtigen Haarschnitt zu verpassen. Patrick hasste Unordnung, und auf Kirbys Kopf herrschte Chaos. Ob ihre Gedanken genauso ungeordnet waren, fragte sich Craig erheitert.
    Seine harte Miene schmolz einen Moment, doch als er es bemerkte, zog er rasch wieder die Maske des Bosses auf, der genauso viel Einsatz von seinem Personal erwartete wie von sich selbst. Eigentlich regierte er nicht mit harter Hand, aber er forderte von seinen Angestellten ein hohes Maß an Eigenverantwortung – und von Ms Lamar würde er noch weitaus mehr verlangen.
    Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an gereizt. »Wie ich sehe, tragen Sie Sandalen, Kirby.«
    »Sandaletten«, korrigierte sie ihn und presste sogleich ihre Lippen aufeinander, als würde sie sich wünschen, den Mund gehalten zu haben.
    Patrick holte tief Luft, um sich zu entschuldigen, doch Craig hob die Hand und verhinderte es. Er wollte mit Kirby sprechen. Ihn, Craig, zu berichtigen war frech gewesen, aber es gefiel ihm. »Es ist ausschließlich geschlossenes, festes Schuhwerk erlaubt.«
    »Das wusste ich nicht.« Nervös nestelte sie an ihrer flamingofarbenen Dienstuniform herum, einem kurzärmeligen Kleid, das bis zu den Knien reichte. Die Couleur biss sich himmelschreiend mit ihrem Haarton, aber alle Hausmädchen trugen nun mal die gleiche Kluft. »In Florida ist es so heiß, deshalb dachte ich …«
    »Sie werden nicht fürs Denken bezahlt, sondern um Anweisungen auszuführen.« Craig hielt die Luft an. War er zu weit gegangen? Normalerweise führte er sich nicht wie eins dieser neureichen Arschlöcher auf, aber irgendetwas in seinem Inneren stachelte ihn dazu an, sie aus der Reserve zu locken. Zu gern würde er hinter ihre Fassade gucken. Was für ein Mensch war sie? Wie fühlte sie sich, nun, da sie kein Personal mehr hatte, sondern selbst als Hausmädchen arbeiten musste?
    Ihre Finger krallten sich so fest in den Stoff ihrer Kleidung, dass ihre Handgelenke weiß hervortraten. Sie brachte die Worte gepresst heraus, als würde es sie Mühe kosten, die Sätze auszusprechen: »Es tut mir sehr leid, Sir. Solch ein Regelbruch wird nicht wieder vorkommen.«
    »Das will ich hoffen«, knurrte er gespielt, schob den Bürostuhl zurück und stand auf. »Ich lege großen Wert auf adrette Kleidung. Nicht auszudenken, wenn ein Gast käme und Ihre beige lackierten Fußnägel erblicken würde.«
    Betrübt schaute sie auf ihre weißen Sandaletten, die mit winzigen braunen Pailletten verziert waren und einen 3-cm-Absatz hatten. Die Nägel waren kaum durch die geschickt geflochtenen Riemchen zu sehen, gepflegt und in einer so dezenten Farbe lackiert, dass Craig eigentlich nichts gegen das Schuhwerk einzuwenden hatte, aber die Arbeitssicherheit schrieb nun mal geschlossene Schuhe vor. Außerdem wusste er, dass Kirbys Füße selbst bei dem kleinen Absatz am Abend höllisch schmerzen würden, deshalb
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