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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders
Autoren: Franz Kabelka
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Jeder kann einmal einen Blödsinn machen. Das heißt doch nicht, dass deswegen gleich alles aus sein muss.“
    „Alles aus, alles aus! Okay, ich bin mit der Kranzl auf ein oder zwei Kaffee gegangen. Ist das ein Verbrechen? Wieso steigerst du dich so hinein! Solltest wirklich weniger Krimis lesen.“
    „Ich steigere mich hinein? Wer faselt denn da von der Blume auf dem Misthaufen, von ihrem unwiderstehlichen Duft?“
    „Wie kommst du eigentlich dazu, mein Handy abzuhören! In meinen Sachen herumzuschnüffeln – soll ich das als Liebesbeweis werten, oder was? Möchte nicht wissen, seit wann das schon so geht.“
    „Ausgerechnet du musst dich übers Abhören und Herumschnüffeln beschweren! Du, der du sogar dein Turteln mit ihr aufgenommen hast. Damit mir der Klang ihrer Stimme hilft bei meiner Entscheidung … Wie romantisch!“
    „Gelt, das kannst du dir nicht vorstellen! Dass es auch noch etwas anderes gibt als Investieren, Kalkulieren … Weißt du was: Du hast gerade meine letzten Zweifel beseitigt. Wenn du es unbedingt hören willst: Ja, ich liebe Iris.“
    „Brems dich ein, Edgar, bitte jetzt keine Trotzreaktion! Denk nach, was wir immer aneinander hatten.“
    „Du sagst es: hatten.“
    „Und wenn das Ganze ein Irrtum ist, eine Sackgasse? Morgen schon kannst du die Dinge wieder anders sehen. Komm, lass uns die Sache nüchtern betrachten, vernünftig. Die Frau ist über zwanzig Jahre jünger als du!“
    „Ich war lange genug nüchtern und vernünftig. Habe mich damit abgefunden, dass alles in gewohnten, geordneten Bahnen läuft bis Absterbens Amen. Und dass ich niemals ein Kind haben würde …“
    „Also bitte! Du hast doch immer gesagt, dass du kein Kind willst! Dass ich mir deswegen keine Sorgen machen müsse, das Kapitel sei erledigt. Die Buben im Internat sind meine Kinder gewesen, hast du gesagt. Willst du das abstreiten?“
    „Man redet viel, wenn der Tag lang ist. Der Mensch ändert sich, Regina. Du hast dich auch verändert, oder? Warst nicht immer das Arbeitstier, das du heute bist.“
    „Jetzt wirst du gemein!“
    „Und du zur Klette. Wer hat je davon geredet, dass wir zwei auf ewig zusammen sein würden?“
    „Sei still! Hör auf!“
    „Bitte, gerne! Hören wir auf. Hören wir endlich auf, uns etwas vorzumachen.“
    *
    Du hast mich provoziert, Edgar, du bist schuld!
    Was musst du mich auch angreifen, mir die Hand auf die Schulter legen, als könntest du mich beruhigen damit, ruhigstellen wie eine dumme Göre. Ein einziger zorniger Stoß, und schon taumelst du, rücklings, so leicht gerätst du aus dem Gleichgewicht, großer starker Mann, und deine Hände rudern durch die Luft, reißen mir das Kettchen vom Hals. Vorsicht, pass auf! Aber die Warnung bleibt mir in der Kehle stecken, was würde sie auch bringen, bist du doch längst im freien Fall, hat dein sturer Schädel längst den einzigen Felsen gefunden weit und breit, den Findling, den der Teufel hierher geschleudert hat in seiner Wut, in meiner Wut – wer hat je davon geredet, dass du und ich auf ewig zusammen sind , du und die Klette, die grad gut genug ist, Geschäft und Haushalt zu schmeißen, aber schlecht für deine Zukunft, die rosige, die sich rot färbt mit einem Schlag.
    Schädel Stein Papier.
    Dieser Punkt geht eindeutig an den Stein, sagen deine verdrehten Augen, während dein Körper nach unten rutscht, in Zeitlupe den Felsblock poliert, steif und schlaff zugleich, wenn es diese Gleichzeitigkeit denn gibt, und eine schmierige Spur deutet auf deinen Hinterkopf wie ein langer, blutiger Pfeil. Jetzt endlich bist du dort angelangt, wo es nicht mehr tiefer, nicht mehr weiter geht. Wo die Erde den Gestrauchelten empfängt.
    Der Boden der Realität.
    Ich wälze dich in Seitenlage, stabile Seitenlage, heißt es nicht so? Aber nichts ist stabil, alles ist aus dem Lot. Dazu der Sturm, um uns herum schlagen die Äste ein wie Granaten. Und wie du aus dem Mund stinkst, Edgar, Liebster, ich will dich küssen, wachküssen, komm, sei kein Frosch, Edgar, so komm doch zurück!
    Atme, verdammt noch einmal, atme!
    *
    Du musst jetzt vernünftig sein, Regina.
    Dich erst einmal beruhigen, nachdenken.
    Du weißt: Es war keine Absicht, nicht eine Sekunde lang. Ein unglücklicher Sturz, Unfall oder Pech oder Schicksal, nenn es, wie du willst. Jedenfalls: Du kannst nichts dafür. Niemand kann etwas dafür. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die passieren einfach.
    Und keiner kann sie ungeschehen machen.
    Du darfst den Kopf nicht verlieren.
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