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Jemand Anders

Jemand Anders

Titel: Jemand Anders
Autoren: Franz Kabelka
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der Lüge zu leben? Weil man ohnehin nicht auskommt ohne sie? Weil die Lüge nützlicher ist fürs Überleben als die Wahrheit? Soll ich dein Fremdgehen akzeptieren und alles hineinfressen in mich – die ewige Notlüge der Frauen? Weil sie halt so sind, die Männer; weil das ihre Natur ist …
    Oder soll ich kämpfen; um unsere Liebe kämpfen, weil man einander nach einem Dutzend Jahren nicht einfach so fallen lässt, Trauschein hin oder her?
    Auf unseren Ausflügen von der Katholischen Jungschar aus hat der Pfarrer zu uns Mädchen gerne im Spaß gesagt: Menscha, fürchtet euch nicht: Jedes Reindl kriegt seinen Deckel. Ich musste lange warten, bis ich meinen Deckel gekriegt habe. Und jetzt – alles umsonst?
    Ich habe gehofft, du würdest von dir aus kommen, um zu reden, wenn ich dir nur etwas Zeit gebe. Ich habe mich richtig darauf vorbereitet. Nein, ich würde nicht an deine Vernunft appellieren. Ich würde dich auch nicht unter Druck setzen mit dem, was ich alles für dich und das Geschäft getan habe. Ach ja, das Geschäft ... Vielleicht würde ich sogar eingestehen, dass ich mich in letzter Zeit zu sehr um das Studio gekümmert habe und zu wenig um unsere Beziehung. Das ist mein Anteil, ich gebe es zu, aber das lässt sich ändern, Edgar, für ein bisschen Mehr an Zuwendung ist es nie zu spät! Wir könnten wieder mal einen Tanzkurs besuchen, oder was sonst dir Spaß macht. Uns einfach kümmern um einander. Ich hab mir sogar ein Negligé gekauft, erstmals seit ewigen Zeiten, meine Brüste können sich immer noch sehen lassen, auch wenn die ihren straffer sein mögen, und die Haut glatter.
    Aber du kommst nicht, sagst nichts. Schaust mich nicht an. Schweigst.
    Und ich weiß nicht, wie ich dich zum Reden bringe ...
    Keine Woche ist es her, dass ich auf diese Aufnahmen gestoßen bin, aus reinem Zufall. Nie würde ich in deinen Sachen herumstöbern. Hab nur schnell dein Handy verwenden wollen, um nach meinem zu suchen, das ich wieder einmal verlegt hatte. Dabei muss ich ausgerechnet in den Ordner Sprachmemos geraten! Wo es doch so viele Ordner und Menüs gibt auf diesem verdammten Handy. Das ich dir eingeredet habe, wegen der tollen Funktionen. Wer hätte gedacht, du würdest sie gegen mich verwenden?
    Früher hast du mich immer Gina genannt, das hat gutgetan. Niemand hatte mich zuvor so gerufen. Es war wie ein Kosen, ein Streicheln. Wann bist du zu Regina gewechselt? Seitdem du mich satthast?
    Ihr Name kommt nicht vor auf deinen Aufnahmen; aber als ich zusehen musste, wie du diese Iris Kranzl im Studio hofierst, war mir alles klar. Und dann fällt ihr herzkranker Freund auch noch tot vom Ergometer. Sehr praktisch, nicht? Oder hast du gar ein bisschen nachgeholfen? Warst du es, der sich im Firmencomputer über Betablocker, Herzkreislauferkrankungen und Hypertonie informiert hat? Wie auch immer: Reichert war nicht mehr im Weg, freie Bahn für die junge Liebe ...
    Oh Edgar, was bist du doch für ein Idiot!
    *
    Jetzt sind wir schon eine halbe Stunde unterwegs, und du schwafelst, wie gut der Spaziergang dir tue, und dass wir das öfters machen sollten miteinander. Meinst du zusammen mit der Kranzl? Eine Ménage-à-trois, oder was?
    Ein Sturm ist aufgekommen, und mir ist kalt, schau, wie ich friere! Aber du drehst dich nicht um, zupfst nur die Schuppen von einem fauligen Zapfen. Wie einer, der etwas auszuzählen hat: Ich liebe sie, ich liebe sie nicht … Schön, dann soll es so sein. Hier und jetzt, jetzt oder nie – ich will die Entscheidung!
    „Bleib stehen, Edgar. Ich ... wir müssen reden miteinander.“
    „Reden? Wir tun nichts anderes die ganze Zeit.“
    „Über uns will ich mit dir reden. Und über dich und Iris.“
    „Welche Iris?“
    „Du brauchst nicht lügen. Ich habe gesehen, wie du die Kranzl anschaust. Und ich weiß, wie du über sie denkst, wie du mit ihr redest. Wo trefft ihr euch eigentlich? Bei ihr im Loft, oder in einer Liebesgrotte draußen auf dem Land?“
    „Wer hat dir bloß so einen Blödsinn erzählt?“
    „Du, du selbst.“
    „Du spinnst!“
    „Ach ja? Weißt du, dass du ärger bist als … als der ungläubige Thomas? Der musste seine Finger in die Wunden Jesu legen, damit er’s kapiert. Dir muss man deine eigenen Aufnahmen zeigen, bevor du etwas zugibst. Gib her dein Handy, und ich spiele sie dir vor!“
    „Nimm deine Finger weg! Fass mich nicht an!“
    „Dann zeig, dass du ein Mann bist … mein Mann! Lass es uns gemeinsam anhören und darüber reden, es ist noch nicht zu spät.
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