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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
Autoren: mulder43
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Jäger meiden für gewöhnlich die Gegend, seit Tal Harper vor zwei Jahren von wilden Schweinen angefallen und, obwohl er das halbe Rudel erschossen hatte, verspeist worden war, ehe ihm jemand zu Hilfe kommen konnte. Wie die meisten Menschen im Bezirk begab sich Lydia Johansson nur selten auf die Nordseite des Paquo, und wenn, dann entfernte sie sich nicht allzu weit von der nächsten Siedlung. Umso verzweifelter war sie nun, da ihr bewusst wurde, dass sie beim Überqueren des Flusses die Grenze zu einem Gebiet überschritten hatte, aus dem sie womöglich nie mehr zurückkehrte eine Grenze nicht nur in geographischer Hinsicht, sondern auch im übertragenen Sinn. Natürlich war sie entsetzt, weil sie von dieser Kreatur verschleppt wurde ihr graute vor den Blicken, mit denen er sie musterte, vor seiner Berührung, und sie hatte panische Angst davor, einen Hitzschlag zu erleiden oder von einer Schlange gebissen zu werden -, aber am schlimmsten waren die Gedanken an das, was sie auf der Südseite des Flusses zurückgelassen hatte: all die kleinen Annehmlichkeiten ihres Lebens, so bescheiden sie auch sein mochten, die wenigen Freunde und Kolleginnen in der Klinik, die Ärzte, mit denen sie vergebens flirtete, die Pizzapartys, die SeinfeldWiederholungen im Fernsehen, ihre Horrorromane, Eiscreme, die Kinder ihrer Schwester. Selbst die düsteren Seiten ihres Daseins kamen ihr jetzt geradezu verlockend vor - der ewige Kampf mit den Pfunden, die mühseligen Versuche, das Rauchen aufzugeben, die einsamen Nächte, das endlose Warten auf einen Anruf von dem Mann, mit dem sie sich gelegentlich traf (sie bezeichnete ihn als ihren
    »Freund«, doch sie wusste, dass dies lediglich Wunschdenken war)... Selbst danach sehnte sie sich jetzt, weil es einfach etwas Vertrautes war. Aber hier gab es nichts, weder Trost noch Annehmlichkeiten. Sie musste an den schrecklichen Anblick bei dem Jägerunterstand denken - wie Deputy Ed Schaeffer bewusstlos dagelegen hatte, Arme und Gesicht durch die Hornissenstiche bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen.
    »Er hätte ihnen nichts tun sollen«, hatte Garrett gemurmelt.
    »Hornissen greifen nur an, wenn ihr Nest in Gefahr ist. Es war seine Schuld.« Langsam war er hineingegangen, ohne dass ihn die Insekten behelligten, und hatte ein paar Sachen geholt. Er hatte ihr die Hände mit Klebeband vor dem Körper gefesselt und sie dann in den Wald geführt, durch den sie jetzt schon etliche Meilen marschierten. Der Junge stellte sich sonderbar an, zerrte sie mal in diese Richtung, mal in jene. Er redete mit sich selbst. Er kratzte an den roten Flecken in seinem Gesicht. Einmal blieb er an einem Tümpel stehen und glotzte in das Wasser. Er wartete, bis irgendein Käfer oder eine Spinne davongehuscht war, tauchte dann das Gesicht hinein und benetzte die gereizte Haut. Er schaute auf seine Füße, zog dann den verbliebenen Schuh aus und schleuderte ihn weg. Anschließend hetzte er sie weiter durch die heiße Morgenluft. Sie warf einen Blick auf die Karte, die aus seiner Hosentasche ragte.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte sie.
    »Halt den Mund. Okay?« Zehn Minuten später befahl er ihr, die Schuhe auszuziehen, und führte sie durch einen seichten, verschmutzten Wasserlauf. Auf der anderen Seite musste sie sich hinsetzen. Er hockte sich vor sie hin, schaute auf ihre Beine und ihr Dekollete und trocknete ihr mit einem Packen Kleenex, die er aus seiner Hosentasche geholt hatte, die Füße ab. Sie ekelte sich vor seiner Berührung genauso, wie sie sich damals geekelt hatte, als sie zum ersten Mal in der Pathologie der Klinik eine Gewebeprobe von einer Leiche entnehmen muss-te. Er zog ihr die weißen Schuhe wieder an, band die Schnürsenkel, hielt ihre Wade eine Idee länger fest als nötig. Dann zog er die Karte zu Rate und führte sie wieder in den Wald. Schnipste mit den Nägeln, kratzte sich an der Backe... Nach und nach wurde die Moorlandschaft immer undurchdringlicher und das Wasser dunkler und tiefer. Sie vermutete, dass sie zum Great Dismal Swamp marschierten, hatte allerdings keine Ahnung, wieso. Gerade als es so aussah, als gäbe es zwischen den verlandeten Tümpeln und Wasserläufen kein Durchkommen mehr, führte sie Garrett in einen Kiefernwald, in dem es zu Lydias Erleichterung weitaus kühler war als draußen im Sumpfgelände. Wieder leitete er sie einen Pfad entlang, bis sie auf einen steilen Hang stießen. Nach oben hin ragten Felsen auf.
    »Da komm ich nicht rauf«, sagte sie und versuchte so trotzig
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