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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Devan Sipher
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müssen, dass ich bei ›The Paper‹ arbeitete. Ich hätte genauso gut Nacktfotos von mir an den ›National Enquirer‹ schicken können. Das wäre wahrscheinlich sogar die harmlosere Variante gewesen. Dem ›Enquirer‹ wäre so ein kleiner Journalist doch egal gewesen. Dem ›Observer‹ nicht. Ich sah schon die Schlagzeile vor mir: Hochzeitskolumnist braucht dringend Nachhilfe im Flirten .
    Ich rannte los und krümmte mich gleichzeitig bei dieserVorstellung innerlich zusammen, falls das technisch überhaupt möglich war. Ich musste so schnell es ging ins Büro und den Posteingang meines E-Mail-Accounts checken.
    Unser hochmoderner Firmensitz aus Glas und Stahl ragte über dem Ostteil der Stadt auf. Die Fassade, die mit einem netzartigen grauen Material verhangen war, erinnerte an riesige Stapel Zeitungspapier, die bis in den Himmel reichten. Der Name der Zeitung erstreckte sich in fünfzehn Meter hohen Buchstaben wie eine gigantische Überschrift über die gesamte Breite des Obergeschosses. Obwohl ich so in Eile war, spürte ich Stolz in mir aufsteigen. Das Internet bedrohte die Existenz der Zeitung, und dennoch drängte sich dieser Neubau mit seinen einundsechzig Stockwerken selbstbewusst in die Skyline der Stadt und bot dank seiner physischen Anwesenheit sowohl der Schwerkraft als auch der Globalisierung die Stirn. Zeitungen wird es immer geben, schien das Gebäude demonstrieren zu wollen. Zumindest diese hier.
    Es war nicht einfach nur ein Arbeitsplatz, es war eine Lebenseinstellung. Wenn von der Vierten Gewalt die Rede ist, meint man damit, dass Journalismus und Pressefreiheit gleichberechtigt neben den drei anderen Staatsgewalten bestehen, und bei ›The Paper‹ wurde erwartet, dass wir uns verhielten, als würden wir mit jeder einzelnen Schlagzeile die Demokratie untermauern wollen. Hier machte man nicht einfach nur seinen Job, man verschrieb sich einem viel größeren Ziel: dem Streben nach Wahrheit und herausragender Qualität. Ich ging um die letzten Bauarbeiter herum und betrat die Lobby. Instinktiv streckte ich die Brust heraus, während ich meinen Presseausweis vorzeigte, der Beweis, dass ich Mitglied dieser exklusiven Bruderschaft war.
    Mein Stolz wurde etwas gedämpft, als ich zu der Mengestieß, die vor den Aufzügen wartete. Im Gegensatz zu dem neugotischen Gebäude, in dem sich unsere Büros früher befunden hatten, gab es hier keine Treppen. Und das, obwohl der Andrang auf die Fahrstühle noch größer geworden war, da sich die Mitarbeiter mittlerweile nicht mehr nur auf zwanzig, sondern auf vierzig Etagen verteilten. Ursprünglich hatten noch mehr Etagen bezogen werden sollen, mit der Aussicht auf geringere Einnahmen wurden jedoch auch die Immobilienpläne bescheidener.
    Das intelligente Hightech-Transportsystem hatte die einfachen Knöpfe für »hoch« und »runter« abgeschafft. Stattdessen gab es ein computergesteuertes Bedienfeld. Ich tippte die Nummer meines Stockwerks ein, die Fünf, und wartete darauf, dass mir der Bildschirm den nächsten verfügbaren Fahrstuhl anzeigte. Nur tat er das leider nicht. Er zeigte »Error« an. Ich versuchte es noch einmal – und erhielt dieselbe Antwort. Wütend hackte ich ein drittes Mal auf dem Bedienfeld herum, woraufhin es mich schließlich zu Fahrstuhl F schickte. Ich gesellte mich zu einer Gruppe angespannter Karrieretypen, die dort brav aufgereiht in einer Schlange warteten, als würden sie in einem Vergnügungspark für die Achterbahn anstehen. So wie Vergnügungsparkbesucher gaben auch wir jede Kontrolle ab, sobald wir das Transportmittel betraten. Wehe dem Unglücklichen, der auf einmal in ein anderes Stockwerk wollte, im Fahrstuhl selbst gab es nämlich keine Auswahlknöpfe. Ein echter Reporter durfte sich eben nicht irren.
    Ich wippte ungeduldig mit dem Fuß. Das lange Warten machte mich ganz nervös. Wahrscheinlich blinkte das rote Licht an meinem Telefon schon lange. Ich bereitete mich innerlich auf eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter vor, die mich über meinen Bruch der ethischen Grundregeln des Journalismus informierte. Ich hatte schon genaudie Bassstimme des entsprechenden Mitarbeiters im Ohr: »Ich habe da ein paar Fragen bezüglich eines Anrufs vom ›Observer‹.« Wie war noch mal die juristische Definition für sexuelle Belästigung?
    Die Fahrstuhltüren öffneten sich. »Welcher Stock ist das?«, fragte eine Frau in Schwarz, da es keine Anzeige gab. (Ein echter Reporter vertraut seinem Instinkt!) Vorn neben der Tür antwortete

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