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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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mich am Ärmel hinterher.
    »Moment mal, Sir«, sagte der Polizist. »Ich brauche noch den Namen dieses Gentleman hier.«
    »Der gehört zu mir.«
    »Ich muss leider den Namen aller –«
    »Das ist mein Enkel. Mein Dummkopf von einem Enkel, der erst in letzter Minute hier aufgetaucht ist und niemandem Bescheid gesagt hat, dass er kommt.«
    Der Polizist sah skeptisch aus.
    »Wollen Sie etwa einem alten Mann die Gesellschaft seines Enkels vorenthalten?« Wenn man sich die Theatralik in seiner Stimme mal wegdachte, klang es fast, als käme es von Herzen. Der Polizist winkte mich durch.
    Sobald wir das Foyer aus Travertin und Marmor passiert hatten, zog mich Melindas Großvater ans andere Ende des Vestibüls, durch eine Messingtür hindurch und in ein Treppenhaus.
    »Melinda ist im Brautzimmer unten im Keller«, sagte er. Ich lief sofort auf die Treppe zu, er versetzte mir jedoch einen Stoß in den Rücken und zeigte auf eine Tür auf der anderen Seite des Treppenhauses.
    »Dort drin ist eine kleine Kapelle.«
    Ich wusste seine Hilfe sehr zu schätzen, fand aber, dass jetzt wirklich nicht der Zeitpunkt für eine Besichtigungstour durch die Synagoge war.
    »Dort kannst du erst mal bleiben«, sagte er. »Ich sage Melinda, dass ich kurz allein mit ihr sprechen will, und bitte sie hierher in die Kapelle.« Guter Plan. »Den Rest musst du allein schaffen, Junge.«
    Ich wusste nicht, wie ich ihm danken sollte, und sagte ihm genau das.
    »Ich habe dich vorhin meinen Enkel genannt«, sagte er. »Wenn du dich bei mir bedanken willst, sorg dafür, dass das keine Lüge war.«
    Er humpelte die Treppe hinunter, und ich eilte auf die Tür zu. Dahinter lag ein kurzer Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Während ich eine nach der anderen öffnete, hörte ich Männerstimmen ›For he’s a jolly good fellow‹ singen.
    Ich erhaschte einen Blick auf gerötete Gesichter und Smokings und duckte mich blitzschnell.
    »For he’s a jolly good fe-hel-low, the rest will be denied.«
    Es wurde gelacht und miteinander angestoßen, während ich auf allen vieren zurück in den Flur und durch die Tür wieder ins Treppenhaus kroch. In meinem Kopf gingen Sirenen los: Kommando zurück! Ich stand auf und raste die Treppe zum Brautzimmer hinunter, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als mein Blick auf eine kunstvolle, graue Hochsteckfrisur fiel. Darunter kam Genevieve zum Vorschein. Sie hielt den Knopf gesenkt und achtete auf ihre Schritte in dem langen schiefergrauen Kleid.
    »Die Zeit haben wir jetzt einfach nicht mehr«, sagte sie gerade zu der Brautjungfer, die hinter ihr ging. »Da muss Melinda eben nach der Zeremonie mit ihrem Großvater sprechen.«
    Ich machte auf dem Absatz kehrt, rannte wieder hinauf, fand eine offene Tür, lief in das Zimmer dahinter und schloss die schwere Holztür. Ich drehte mich um und versuchte zu Atem zu kommen. In dem Moment wurde ich von etwas, das sich anfühlte wie eine Druckwelle, fast umgeworfen: Auf der Orgel spielte jemand Bach. Ich stand auf dem obersten Rang der Synagoge und sah auf die zehnstöckige, bogenförmige Basilika mit dem Marmormosaik und den vergoldeten Fliesen hinunter. Dort unten stand einwunderschön mit Blauregenranken und Orchideenblüten geschmückter Baldachin, und die ersten Gäste begannen bereits die Reihen zu füllen. Mir lief die Zeit davon.
    Ich presste das Ohr an die Tür und lauschte auf Schritte. Ich konnte nichts hören, also drückte ich mich fester gegen die Tür. Und hörte ein Klicken. Ich wollte kein Klicken hören. Ein Klicken war ganz und gar nicht gut. Ich drückte noch einmal gegen die Tür, aber nun bewegte sie sich nicht mehr. Ich war eingeschlossen. Nein, schlimmer noch, ich war verdammt.
    Ich stellte mir vor, wie ich hier oben gefangen und damit gezwungen war, die ganze Hochzeit gegen meinen Willen mitzuerleben. Ich könnte natürlich auch die Szene aus ›Die Reifeprüfung‹ nachspielen und Melindas Namen in den Saal rufen. Nur hätte ich sie danach auch bitten müssen, mich zu befreien.
    Mir brach der Schweiß aus, aber ich durfte jetzt auf keinen Fall in Panik verfallen. Ich würde das hier schon irgendwie schaffen. Ich musste einfach. Ich sah mich auf der Empore um. Dort hinten war noch eine Tür. Ich kroch die gesamte Rückwand der Synagoge entlang, an einer Reihe leuchtender, mit Edelsteinen besetzter Fenster vorbei. Dann bog ich in ein anderes Treppenhaus ab.
    Runter.
    Halb rannte ich, halb sprang ich, schlitterte über den Treppenabsatz und machte einen Satz
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