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Je sueßer das Leben

Je sueßer das Leben

Titel: Je sueßer das Leben
Autoren: Darien Gee
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den Rasen. Ihre Stiefel knirschen auf dem gefrorenen Gras. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Der Mann hat eine wilde schwarze Mähne und einen grüblerischen Blick, den Julia von ein paar Fotos her kennt. Er ist natürlich älter, aber es ist eindeutig derselbe Mann. In der Hand hält er einen dicken Umschlag, an den sich Julia ebenfalls erinnert. »Ich suche Madeline Dunn«, sagt er.
    Julia schluckt, ihr Herz klopft heftig. »Da sind Sie hier richtig. Ich bin eine Freundin von ihr, Julia Evarts.«
    Der Mann nickt, als wüsste er, wer sie ist, aber Julia spürt, dass er mit seinen Gedanken woanders ist. Das Baby sieht müde aus und fängt an zu weinen und in den Armen seiner Mutter zu strampeln.
    »Es war eine lange Fahrt«, sagt er und nimmt der Mutter die Kleine ab. »Wir sind seit heute Morgen unterwegs. Wir wohnen inzwischen in Cleveland, und der Brief wurde an meine alte Adresse in Pennsylvania geschickt. Ich bin Madelines Stiefsohn, Benjamin Dunn.« Er wirft einen unsicheren Blick auf den Teesalon und räuspert sich. Durch das Fenster sieht man einen ganzen Haufen Frauen, und Julia hat das Gefühl, dass er ein wenig eingeschüchtert davon ist.
    Der Teesalon ist wegen einer Veranstaltung offiziell geschlossen, der Weihnachtsfeier des Freundschaftsbrot-Clubs. Connie hatte die Idee, damit Madeline und Hannah auch einmal freihaben. Hannah beschloss, den Abend allein zu Hause zu verbringen, und Madeline wollte auch nicht an der Feier teilnehmen. Als Julia sie das letzte Mal sah, saß sie in ihrem Wohnzimmer, eine Decke über den Beinen und einen Becher heißen Tee in der Hand, und genoss die Ruhe. Sie blickte in den verschneiten Garten hinaus, wo ein Feldsperling von Ast zu Ast hüpfte.
    Julia führt Ben und seine Frau zur Haustür, an der ein wunderschöner, üppiger Kranz hängt. Julia dreht den Knauf und wünscht sich, sie könnte dableiben und den Moment des Wiedersehens miterleben.
    Aber das steht ihr nicht zu. Dieser Moment gehört allein Madeline. Julias Platz ist bei ihrer Familie, bei Livvy, Tom und ihrem neugeborenen Sohn in Faberville. Julia kann es eigentlich auch kaum erwarten, ihre Schwester in die Arme zu schließen und den neuen Erdenbürger zu begutachten, der sich einen Weg in ihrer aller Leben gebahnt hat. Sie werden alle zusammen sein – sie, Mark, Gracie, Tom, Livvy, Aiden. Und Josh. Er wird da sein, weil er immer bei Julia ist, in ihrem Herzen.
    Und so öffnet Julia die Tür und begleitet Ben und seine Familie hinein, bittet sie, einen Moment zu warten, während sie Madeline holt. Madeline sitzt genau so da, wie Julia sie verlassen hat. Sie dreht sich lächelnd zu Julia um. Julia berührt ihre Freundin sanft an der Schulter, ihr Herz ist voller Liebe, dann beugt sie sich nach unten und flüstert Madeline ins Ohr, dass draußen jemand ganz Besonderes auf sie wartet.

Epilog
    Rosa Ydara-Belair streicht sich eine dunkle Locke hinters Ohr. Sie sieht gerade die Sachen ihres Vaters durch und teilt sie in drei Haufen auf: aufheben, verschenken, wegwerfen.
    Familienfotos und -alben: aufheben.
    Der Schmuck ihrer Mutter und die Uhr ihres Vaters: aufheben.
    Kleidung und Schuhe: verschenken.
    Bücher und Zeitschriften: verschenken.
    Der Kabelsalat und die kaputten Elektrogeräte: wegwerfen.
    Die fadenscheinigen Teppiche und uralten Vorhänge: wegwerfen.
    Zwei Teleskope, ein Fernglas, drei Kameras: verschenken.
    Möbelstücke, Handtücher und Bettzeug: verschenken.
    Fernseher, Stereoanlage, Videogerät: aufheben.
    Das Hochzeitsgeschirr ihrer Eltern: aufheben. Verschenken. Nein, aufheben.
    Rosa hält einen Teller in die Höhe und seufzt. Er hat ein hübsches Blumenmuster und einen geschwungenen Rand. Ihr eigenes Porzellan ist von Lennox, schlicht, mit einem blau-silbernen Rand. Es ist modern, fast schon ein wenig trendig, aber sie mag es dennoch. Rosa betrachtet bedauernd das Geschirr und wünscht sich, sie könnte es mitnehmen, aber sie weiß nicht, wohin damit. Sie haben bereits so viele Sachen von ihren Eltern, die sie mit nach Michigan nehmen wollen.
    Verschenken.
    Rosa schlägt jeden Teller sorgfältig in Luftpolsterfolie ein. Als sie fertig ist, runzelt sie die Stirn. Ihr Mann klopft gegen den Rahmen der Wohnzimmertür, einen großen Karton unterm Arm.
    »Wir haben fast keine Kisten mehr. Ich fahre zum Baumarkt, sobald ich das hier in den Laster geladen habe. Hast du Lust mitzukommen?«
    Rosa hebt eine Hand, ihre Lippen bewegen sich, während sie das Geschirr zählt. »Es fehlt ein Dessertteller. Es sind
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