Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
Vater wollte dir gestern Abend sogar telegrafieren, du solltest nach Hause kom–«
    »Ich komme jetzt nicht nach Hause, Mutter. Entspann dich also.«
    »Muriel. Ehrenwort. Dr. Sivetski hat gesagt, Seymour könnte voll ständig die Beherr–«
    »Ich bin doch erst an gekommen, Mutter. Das ist mein erster Urlaub seit Jahren, und ich werde jetzt nicht einfach wieder alles einpacken und nach Hause kommen«, sagte die junge Frau. »Ich könnte jetzt ohnehin nicht reisen. Ich habe einen solchen Sonnenbrand, ich kann mich kaum rühren.«
    »Einen schlimmen Sonnenbrand hast du? Hast du denn nicht die Dose Bronze genommen, die ich dir in den Koffer getan habe? Ich habe sie genau – «
    »Ich habe sie genommen. Trotzdem bin ich verbrannt.«
    »Das ist ja furchtbar. Wo bist du denn verbrannt?«
    »Überall, Mutter, überall.«
    »Das ist ja furchtbar.«
    »Ich werd’s überleben.«
    »Sag, hast du mit diesem Psychiater gesprochen?«
    »Ja, gewissermaßen«, sagte die junge Frau.
    »Was hat er gesagt? Wo war Seymour, als du mit ihm gesprochen hast?«
    »Im Ocean Room, er hat Klavier gespielt. An beiden Abenden, seit wir hier sind, hat er Klavier gespielt.«
    »Und, was hat er gesagt?«
    »Ach, nicht viel. Er hat mich angesprochen. Ich habe gestern Abend beim Bingo neben ihm gesessen, und er hat mich gefragt, ob das nicht mein Mann sei, der im anderen Raum Klavier spielt. Ich habe Ja gesagt, und er hat mich gefragt, ob Seymour krank sei oder so was. Also habe ich gesagt –«
    »Warum hat er das denn gefragt?«
    »Ich weiß es nicht, Mutter. Vermutlich, weil er so blass und so weiter ist«, sagte die junge Frau. »Nach dem Bingo hat er mich jedenfalls gefragt, ob ich mit ihm und seiner Frau etwas trinken wolle. Das habe ich dann getan. Seine Frau war grauenvoll. Erinnerst du dich an das grässliche Abendkleid, das wir bei Bonwit im Schaufenster gesehen haben? Von dem du gesagt hast, da bräuchte man einen ganz, ganz kleinen –«
    »Das grüne?«
    »Das hatte sie an. Und dann diese Hüften. Ständig hat sie mich gefragt, ob Seymour mit dieser Suzanne Glass verwandt ist, die diesen Laden in der Madison Avenue hat – diesen Modesalon.«
    »Aber was hat er gesagt? Der Arzt.«
    »Ach, eigentlich nicht viel. Schließlich waren wir ja in der Bar und so weiter. Es war schrecklich laut.«
    »Ja, aber hast du – hast du ihm gesagt, was er mit Omis Stuhl machen wollte?«
    »Nein , Mutter. Ich bin nicht weiter in die Details gegangen«, sagte die junge Frau. »Wahrscheinlich habe ich morgen noch einmal die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen. Er ist den ganzen Tag in der Bar.«
    »Hat er gesagt, es könnte die Möglichkeit bestehen, dass er – na ja – komisch oder dergleichen werden könnte? Dir etwas antut!«
    »Nicht so richtig«, sagte die junge Frau. »Er braucht mehr Fakten, Mutter. Sie müssen etwas über die Kindheit wissen – diesen ganzen Kram. Ich habe dir doch gesagt, wir konnten kaum reden, weil es da so laut war.«
    »Na schön. Was ist mit dem blauen Mantel?«
    »Alles in Ordnung. Ich habe die Polster ein wenig verkleinern lassen.«
    »Wie sind denn die Kleider dieses Jahr?«
    »Schrecklich. Aber sagenhaft. Man sieht Pailletten – alles«, sagte die junge Frau.
    »Wie ist dein Zimmer?«
    »Ganz gut. Mehr aber auch nicht. Das Zimmer, das wir vor dem Krieg immer hatten, haben wir nicht gekriegt«, sagte die junge Frau. »Die Leute sind grässlich dieses Jahr. Du solltest mal sehen, was da im Speisesaal so neben uns sitzt. Am Nebentisch. Die sehen aus, als wären sie mit dem Lastwagen gekommen.«
    »Ach, es ist überall das Gleiche. Und wie ist dein Ballerinarock?«
    »Zu lang. Ich habe dir ja gesagt, er ist zu lang.«
    »Muriel, ich frage dich jetzt nur noch ein Mal – ist alles in Ordnung?«
    »Ja , Mutter«, sagte die junge Frau. »Zum neunzigsten Mal.«
    »Und du willst nicht nach Hause kommen?«
    »Nein , Mutter.«
    »Dein Vater sagte gestern Abend, er sei nur zu gern bereit, es zu bezahlen, wenn du allein irgendwohin fahren wolltest, um dir einmal alles zu überlegen. Du könntest ja eine nette Kreuzfahrt machen. Wir haben beide gedacht – «
    »Nein danke«, sagte die junge Frau und streckte die Beine wieder. »Mutter, dieses Gespräch kostet ein Verm –«
    »Wenn ich daran denke, wie du den ganzen Krieg hindurch auf diesen Jungen gewartet hast – ich meine, wenn man mal an die ganzen verrückten Ehefrauchen denkt, die – «
    »Mutter«, sagte die junge Frau, »wir legen jetzt lieber auf. Seymour könnte jeden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher