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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen
Autoren: Unknown
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jemand sie anstarren sollte«, sagte der junge Mann. »Fünfter, bitte .«
    E r zog seinen Zimmerschlüssel aus der Bademanteltasche.
    Im fünften Stock stieg er aus, ging durch den Flur und schloss 507 auf. Das Zimmer roch nach neuem Kalbsledergepäck und Nagellackentferner.
    Er warf kurz einen Blick auf die junge Frau, die auf einem der beiden Einzelbetten schlief. Dann ging er zu einem der Gepäckstücke, öffnete es und zog unter einem Stapel Unterhosen und - h emden eine Ortgies Automatik, Kaliber 7,65 hervor. Er klinkte das Magazin aus, betrachtete es und schob es wieder hinein. Er spannte die Waffe. Dann ging er zu dem freien Einzelbett und setzte sich, schaute auf die junge Frau, legte die Pistole an und schoss sich eine Kugel durch die rechte Schläfe.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    ONKEL WIGGILY
    IN CONNECTICUT
     
    Es war schon beinahe drei Uhr, als Mary Jane endlich Eloise’ Haus fand. Sie erklärte Eloise, die zu ihrer Begrüßung in die Auffahrt gekommen war, alles sei absolut perfekt gelaufen, sie habe den Weg exakt in Erinnerung gehabt, bis sie am Merrick Parkway abgebogen sei. Eloise sagte: » Merritt Parkway , Schätzchen«, und erinnerte Mary Jane daran, dass sie das Haus vorher schon zweimal gefunden habe, doch Mary Jane jammerte nur undeutlich, etwas über ihre Schachtel Kleenex, und lief zu ihrem Cabrio zurück. Eloise schlug den Kragen ihres Kamelhaarmantels hoch, stellte sich mit dem Rücken zum Wind und wartete. Schon bald war Mary Jane wieder da, mit einem Kleenex hantierend, und wirkte noch immer aufgebracht, gar befleckt. Eloise sagte fröhlich, das ganze verdammte Mittagessen sei verbrannt – das Bries, alles – , aber Mary Jane sagte, sie habe ohnehin schon unterwegs gegessen. Auf dem Weg zum Haus fragte Eloise Mary Jane, wie es komme, dass sie einen Tag frei habe. Mary Jane sagte, sie habe nicht den ganzen Tag frei, es sei nur so, dass Mr Weyinburg einen Bruch habe und zu Hause in Larchmont sei und dass sie ihm jeden Nachmittag die Post bringen und ein paar Briefe abholen müsse. Sie fragte Eloise: »Was ist denn überhaupt genau ein Bruch? « E loise ließ ihre Zigarette auf den schmutzigen Schnee zu ihren Füßen fallen und meinte, so ganz genau wisse sie es auch nicht, aber Mary Jane müsse nicht allzu große Angst h aben, einen zu bekommen. Mary Jane sagte »Oh«, und dann betraten die beiden Frauen das Haus.
    Zwanzig Minuten später tranken sie im Wohnzimmer schon ihren ersten Highball aus und unterhielten sich auf eine Weise, die ehemaligen Zimmergenossinnen am College eigen, womöglich sogar auf sie beschränkt ist. Etwas noch Stärkeres verband sie; beide hatten sie keinen Abschluss gemacht. Eloise hatte das College mitten in ihrem zweiten Studienjahr verlassen, 1942 war das, eine Woche, nachdem sie in einem geschlossenen Fahrstuhl im dritten Stock ihres Wohnheims mit einem Soldaten erwischt worden war. Mary Jane war – im selben Jahr, im selben Kurs, fast im selben Monat – abgegangen, um einen in Jacksonville, Florida, stationierten Luftwaffenkadetten zu heiraten, einen schmalen Jungen aus Dill, Mississippi, der nur die Fliegerei im Kopf hatte und zwei der drei Monate, die Mary Jane mit ihm verheiratet war, im Gefängnis saß, weil er einen Militärpolizisten niedergestochen hatte.
    »Nein«, sagte Eloise gerade. »Sie waren vielmehr rot .«
    S ie hatte sich auf der Couch ausgestreckt und ihre dünnen, aber sehr hübschen Beine an den Knöcheln übereinandergeschlagen.
    »Ich habe gehört, sie waren blond«, wiederholte Mary Jane. Sie saß auf dem blauen Stuhl. »Soundso hat Stein und Bein geschworen, sie waren blond.«
    »M m . Ganz bestimmt .«
    E loise gähnte. »Ich war praktisch im selben Z immer mit ihr, als sie sie gefärbt hat. Was denn? Sind da keine Zigaretten mehr drin?«
    »Schon gut. Ich habe eine ganze Schachtel«, sagte Mary Jane. »Irgendwo. «
    S ie kramte in ihrer Handtasche.
    »Dieses dämliche Hausmädchen«, sagte Eloise, ohne sich von der Couch zu rühren. »Vor ungefähr einer Stunde habe ich ihr zwei nagelneue Schachteln vor die Nase g elegt. Jeden Moment wird sie reinkommen und mich fragen, was sie damit machen soll. Wo war ich denn nun stehen geblieben, Herrgott?«
    »Thieringer«, half Mary Jane nach und zündete sich eine ihrer Zigaretten an.
    »Ja, richtig. Ich erinnere mich genau. Sie hat sie am Abend vor ihrer Hochzeit mit diesem Frank Henke gefärbt. Erinnerst du dich überhaupt an
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