Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
Moment kommen.«
    »Wo ist er?«
    »Am Strand.«
    »Am Strand? Allein? Benimmt er sich denn am Strand?«
    »Mutter«, sagte die junge Frau, »du sprichst von ihm, als wäre er ein tobender Irrer –«
    »Etwas Derartiges habe ich nicht gesagt, Muriel.«
    »Na, so hat es sich jedenfalls angehört . Er liegt doch einfach nur da. Er zieht nicht mal den Bademantel aus.«
    »Er zieht den Bademantel nicht aus? Warum nicht?«
    »Das weiß ich nicht. Vermutlich, weil er so blass ist.«
    »Meine Güte, er braucht doch Sonne. Kannst du ihm das nicht sagen?«
    »Du kennst doch Seymour«, sagte die junge Frau und schlug die Beine wieder übereinander. »Er sagt, er will nicht, dass so viele Idioten seine Tätowierung sehen.«
    »Er hat doch gar keine Tätowierung! Hat er eine von der Armee?«
    »Nein, Mutter. Nein«, sagte die junge Frau und stand auf. »Hör zu, ich rufe dich vielleicht morgen wieder an.«
    »Muriel, nun hör mir mal zu.«
    »Ja, Mutter«, sagte die junge Frau und verlagerte das Gewicht aufs rechte Bein.
    »Ruf mich sofort an, wenn er etwas auch nur annähernd Komisches macht oder sagt – du weißt, was ich meine. Hörst du?«
    »Mutter, ich habe keine Angst vor Seymour.«
    »Muriel, ich möchte, dass du mir das versprichst.«
    »Na gut, versprochen. Wiedersehen, Mutter«, sagte die junge Frau. »Und grüß Papa von mir .«
    S ie legte auf.
     
    »Sieh mehr Glas«, sagte Sybil Carpenter, die mit ihrer Mutter in dem Hotel wohnte. »Sieh mehr Glas.«
    »Mein Kätzchen, sag das nicht. Es macht Mami absolut verrückt. Halt bitte still.«
    Mrs Carpenter trug Sonnenöl auf Sybils Rücken auf, verrieb es auf ihren zarten, flügelartigen Schulterblättern. Sybil saß wackelig auf einem riesigen aufgeblasenen Strandball und blickte auf den Ozean. Sie trug einen kanariengelben zweiteiligen Badeanzug, dessen einen Teil sie die nächsten neun oder zehn Jahre eigentlich gar nicht brauchen würde.
    »Es war wirklich nur ein gewöhnliches Seidentuch – das konnte man sehen, wenn man nahe dran war«, sagte die Frau in dem Liegestuhl neben Mrs Carpenter. »Wenn ich nur wüsste, wie sie es gebunden hat. Es war zu goldig.«
    »Es klingt goldig«, pflichtete Mrs Carpenter ihr bei. »Sybil, halt still , mein Kätzchen.«
    »Ist sieh mehr Glas da?«, sagte Sybil.
    Mrs Carpenter seufzte. »Na schön«, sagte sie. Sie s chraubte die Kappe auf die Sonnenölflasche. »Nun lauf und spiel, mein Kätzchen. Mami geht ins Hotel und trinkt mit Mrs Hubbel einen Martini. Ich bringe dir dann die Olive.«
    Freigegeben, rannte Sybil sogleich zum flachen Teil des Strandes hinunter und lief dann in Richtung des Fischerpavillons. Nur einmal hielt sie an, um den Fuß in eine durchweichte, eingefallene Burg zu stecken, dann war sie schon bald außerhalb des Areals, das für die Hotelgäste reserviert war.
    Sie ging ungefähr einen halben Kilometer und rannte dann unvermittelt den weichen Teil des Strandes schräg hinauf. Abrupt blieb sie stehen, als sie die Stelle erreichte, wo ein junger Mann auf dem Rücken lag.
    »Gehst du ins Wasser, sieh mehr Glas?«, fragte sie.
    Der junge Mann fuhr zusammen, seine rechte Hand griff nach dem Revers seines Frotteemantels. Er drehte sich auf den Bauch, ließ ein zur Wurst aufgerolltes Tuch von den Augen fallen und blinzelte zu Sybil hinauf.
    »Hey. Hallo, Sybil.«
    »Gehst du ins Wasser?«
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte der junge Mann. »Was gibt’s Neues?«
    »Was?«, fragte Sybil.
    »Was gibt’s Neues? Was steht auf dem Programm?«
    »Mein Papa kommt morgen mit dem Fluchzeug«, sagte Sybil, mit Sand herumkickend.
    »Nicht mir ins Gesicht, Herzchen«, sagte der junge Mann und packte Sybil am Knöchel. »Es wird auch allmählich Zeit, dass er kommt, dein Papa. Ich erwarte ihn stündlich. Stündlich.«
    »Wo ist die Frau?«, fragte Sybil.
    »Die Frau? «
    D er junge Mann strich sich Sand aus den d ünnen Haaren. »Schwer zu sagen, Sybil. Sie kann an tausend Orten sein. Beim Friseur. Wo sie sich die Haare nerzbraun färben lässt. Oder sie macht auf ihrem Zimmer Puppen für arme Kinder. «
    E r lag nun flach auf dem Bauch, ballte die Fäuste, setzte eine auf die andere und legte das Kinn darauf. »Frag mich was anderes, Sybil«, sagte er. »Da hast du aber einen schönen Badeanzug an. Wenn ich etwas mag, dann blaue Badeanzüge.«
    Sybil starrte ihn an und dann auf ihren vorgestreckten Bauch. »Das ist ein gelber «, sagte sie. »Ein gelber ist das.«
    »Wirklich? Komm ein bisschen näher.«
    Sybil trat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher