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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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ausruhen, was?«, sagte er. Ich nickte und kroch in mich hinein, als döste ich, in der Hoffnung, dass er mich endlich in Ruhe lassen würde.
    In Schoresch richtete ich mich in meinem Sitz auf und öffnete das Fenster. Da waren sie, die Jerusalemer Berge. Ich liebte diese Luft, den Wind, der hier wehte. Ich atmete tief ein, spürte die Aufregung, die meinen Hals emporkroch. Für einen Augenblick schwindelte mir. Nach Hause. Wer weiß, welche Botschaften dort warteten, wer heil zurückgekehrt war und wer nicht, wer verwundet worden und entkommen war? Spannung erfasste mich, aber auch der Wunsch zu schlafen, nichts zu sehen, nichts zu hören und nichts zu wissen, mich zu verstecken, bis sich alles aufgeklärt hätte. Aber die Befürchtungen verdrängten die Freude über die Entlassung. In Kürze würde ich beim Verbindungsoffizier erfahren können, wo Kabi lag.
    Ich sog Luft ein und versuchte sie eine Weile anzuhalten, immer
wieder. Levana, die Gesundheitsapostelin, die Büroleiterin des Ministers, behauptete, das sei eine Übung, die Ängste abbaue.
    »Kannst du mich irgendwo beim Verbindungsoffizier absetzen?«, fragte ich.
    »Ich bring dich hin, das liegt auf meinem Weg zur deutschen Kolonie«, antwortete er.
    »Zur deutschen Kolonie? Dann will ich lieber dorthin …«, erwiderte ich mit einem Kloß im Hals.
     
    Von dem öffentlichen Telefon Ecke Rachel-Imeinu- und Emek-Refaim-Straße rief ich Sandra, Kabis Freundin, an.
    »Er ist an der Schulter verwundet. Sie haben ihn ins Krankenhaus in Aschkelon eingeliefert. Ich war heute früh bei ihm. Morgen Nachmittag fahre ich wieder hin. Willst du mitkommen?«
    »Natürlich.«
    »Erzähl deinen Eltern vorläufig nichts«, bat sie, als sei sie in unserem Haus aufgewachsen und wie wir dazu erzogen, ihnen Sorge und Kummer zu ersparen.
    Die staubige Uniform, der Tornister und die Bartstoppeln im Gesicht ließen offenbar erkennen, dass ich von weit her kam. Ein Passant nickte mir zu und bedachte mich mit einem Segen für die gesunde Rückkehr. Auf der Plakattafel von unserem »Bad der Gräuel«, wie das gemischte Schwimmbad im Viertel genannt wurde, hingen die einheitlich formulierten Traueranzeigen der Armee. Ich stand lange davor, las die Namen. Danach ging ich an den Kiosk und verlangte ein Päckchen Ascot und Zeitungen, aber als ich zahlen wollte, fand ich die Brieftasche nicht. Vielleicht war sie unterwegs verloren gegangen. Das Geld war nicht so wichtig, aber die Papiere!
    »Bitte«, reichte mir der Verkäufer die Zigaretten und die Zeitungen.
    »Tut mir leid, ich habe meine Brieftasche verloren.«
    »Nicht so schlimm, zahl ein andermal.«

    »Nein, danke.« Ich wandte mich zum Gehen und bereute es sofort.
    Wie ein zögerlicher Tourist, der ein neues Viertel erkundet, schlenderte ich die Emek-Refaim-Straße entlang, nicht wie jemand, der nach Hause zurückkehrt. Die Schaufensterscheiben waren mit Papierstreifen oder schwarzen Verdunklungsblenden abgedeckt. Am Café Peter blieb ich einen Augenblick stehen. Ein junges Pärchen trank dort Kakao. Sie sah ihn mit blitzenden Augen an und streichelte mit dem Finger seine Nase. Ein einsamer Greis aß in der Ecke, mit kummervollem Gesicht. Im Zentrum des Raums, an zwei zusammengerückten Tischen, scharten sich Frauen und Männer, die leise diskutierten. Plötzlich verstummte alles und lauschte gespannt der Stimme des Radiosprechers, der eine Liste von Gefallenen verlas. Einer der Männer stand auf, trat auf die Straße, hielt ein Taxi auf und verschwand darin.
    Ich entfernte mich langsam und blieb vor der Apotheke stehen. Hier pflegte ich Kondome zu kaufen. Jardena war nicht bereit, ohne sie mit mir zu schlafen. Ich war immer nur hineingegangen, wenn sich keine Kunden darin befanden, und mein Gesicht lief jedes Mal rot an. Ich verlangte nie Kondome, sondern Präservative, als hätte allein der Name etwas Billiges und Grobes. Ich setzte meinen Weg fort, und endlich wagte ich es zu guter Letzt, meinen Kopf zu Jardenas Dachwohnung zu heben. Ob sie zu Hause war? Wenn sie mich nicht vor dem Krieg im Stich gelassen hätte, wäre ich jetzt die Treppe, zwei Stufen auf einmal, hinaufgestürzt und in ihre Arme gefallen in dem geräumigen, farbenfrohen Zimmer, das mit Reproduktionen von Kandinsky und Manet übersät war. In der Nordecke stand das Bett, ein riesiges Hochzeitsbett aus vergangener Zeit, das Jardena einmal auf dem Flohmarkt in Jaffa gekauft hatte. Es hatte vier Säulen mit großen Knäufen, und unzählige bunte Kissen jeglicher
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