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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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Größe und Fasson, Jardenas Handarbeit, lagen darauf verstreut. Ich würde jetzt Kissen unter sie stopfen, die Rundungen ihres vollen
Körpers erhöhen, und wir würden in dem weichen Bett in verrückten Liebesspielen versinken.
    Ich schaute weiter nach oben. Geh hinauf, geh schon. »Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt«, fiel mir der abgedroschene Spruch ein. Ich machte einen energischen Schritt und hielt inne. Was sollte ich ihr sagen? Und was, wenn sie nicht allein war? Bewahre deine Würde, mein Freund, du verschwindest besser von hier, sie gehört dir nicht mehr.
     
    Weshalb hatte ich diese weichen Knie? Doch ich ging weiter, zur Jochanan-ben-Zakai-Straße und von dort in Richtung der Katamonviertel. Der Eingang zum Immigrantenviertel war erbärmlich, Sandwege, enge Straßen, die Häuser aufeinandergeschichtete Würfel aus billigen, unbehauenen Steinen. Auch hier war die Plakatwand von Traueranzeigen bedeckt. Siebzehn Anzeigen, so viele Gefallene aus einem einzigen Immigrantenviertel! Ich las die Namen. Einer davon, Obadia Zakai, schmerzte besonders. Ich hatte ihn hier im Viertel als Junge kennengelernt, später begegneten wir uns wieder an der hebräischen Universität, der erste Kurde aus dem Viertel, der es bis zur Universität gebracht hatte. Er träumte davon, seinen Doktor in Amerika zu machen. Der Anzeige entnahm ich, dass er Hauptmann bei der Artillerie gewesen war. Ich sah ihn vor mir, hier, auf der Antigonosstraße, wie er von der Verleihung seiner Magisterurkunde in Chemie zurückkam, kräftig und strahlend, eine lange Schlange der großen Zakai-Sippschaft im Schlepptau, und die Frauen stießen trillernde Jubelrufe aus. Mein Mund wurde trocken.
    Auch Jakov Beroschi stand auf einer Anzeige. Jakov, der Sohn des Synagogendieners, der der Besitzer der Hochzeitshallen in Makor Chaim geworden war. Ein umgänglicher und kluger Junge, der schon als Knabe vor Plänen übersprudelte, wie man reich wurde. Einmal fragte seine Mutter die meine: »Warum kommen deine Jungen nicht in die Synagoge?« Mama errötete vor Scham, und seitdem waren sie Freundinnen.

     
    Ich sah sie schon von weitem auf dem Balkon stehen. »Nuri!«, schrie sie, und im Nu war sie unten auf dem Pfad, sprang mit der Energie eines Dorfmädchens den Abhang herab und fiel mir um den Hals, umarmte und küsste mich, streichelte mein stoppeliges Gesicht mit Tränen in den Augen.
    »Meine Augen hängen am Weg, wann werden meine Kinder kommen, mein Herz hat gefühlt, dass du heute kommst«, sagte sie, als wir die Wohnung betraten.
    »Abu Kabi, steh auf, Nuri ist zurück!«, rief sie meinen Vater, während sie meine Schultern und Arme betastete wie eine Wöchnerin die Glieder ihres Babys.
    Mein Vater lag auf dem Bett. Trotz der Hitze hatte er einen dicken Baumwollschlafanzug an. »Alhamdulillah, ala as-salama, ibni, gesegnet sei deine wohlbehaltene Rückkehr, mein Sohn«, sagte er, und er streckte seine Hände nach mir aus und drückte meinen Körper an sich, als sei ich ein kleiner Junge, hüllte mich mit seinen Armen ein, schützte mich vor allem Bösen. Lange Zeit hielt er mich umarmt und ließ nicht los. Die Wärme seines Körpers und sein Geruch verdrängten für einen Moment die Angst, die sich in mir eingenistet hatte. »Gesegnet sei der Herr, dass du gesund und heil zurückgekommen bist«, seufzte er erleichtert.
    »Setz dich, mein Sohn, lass dich anschauen. Ruh dich aus«, sagte meine Mutter und legte ihre Hand auf meine Schulter. »Vielleicht willst du dich duschen, es ist heißes Wasser da. Jeden Tag habe ich den Boiler aufgeheizt, vielleicht kommst du ja. Gesegnet seien Er und Sein Name, mein Nuri ist wohlbehalten zurückkehrt …«, und sie ließ ihren Tränen freien Lauf.
    »Schluss damit, Umm Kabi«, flüsterte mein Vater und wandte sich an mich, »hast du etwas von Kabi, von Moschi gehört?«
    »Mit Kabi habe ich gestern gesprochen«, log ich, »keine Sorge, und Moschi werden sie nicht lange behalten, er ist aus dem Moschav.«
    »Warum ist Kabi aus London zurückgekommen, genügen du und Moschi nicht?«, grollte Mama und sah mich dabei an. »Du
bist dünn geworden, mein Sohn, vielleicht bleibst du ein paar Tage da, ruhst dich ein bisschen aus, isst wie ein anständiger Mensch.«
    Sie wandte sich der Küche zu und kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem ein Kännchen Kaffee mit Kardamom für mich stand und ein Glas Tee mit Minze für meinen Vater. Ich genoss den erlesenen Kaffee, den ich seit so vielen Tagen nicht mehr
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