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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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Heimatlieder, verteilte einen Haufen Fähnchen an die Kameraden neben den Panzern und verlangte, sie sofort aufzuhängen.
    »Wie lange soll das dauern? Ich kann so nicht leben, drei Wochen ohne den Jerusalemer Beitar-Verein«, beklagte sich Armosa scherzhaft.
    »Das ist wirklich gar zu viel verlangt«, bestätigte Trabelsi.
    »Wer will Krieg?«, fragte ich. Und alle, Trabelsi, Aflalo, Kazav, Slutzki und Antebi, schauten mich an wie einen Verrückten.
    »Ich möchte Ochsenschwanzsuppe schlürfen, scharf gewürzt,
mit einem Gläschen Arrak nachspülen und es meiner Nachbarin die ganze Nacht besorgen«, sagte Antebi dann mit liebenswürdigem jemenitischem Akzent, wobei er seine Worte mit beschwörenden Gesten unterstrich. Alle lachten aus vollem Hals, und mich versetzte es zurück zu den Liebesnächten mit Jardena und der Sehnsucht, die mich auffraß.
     
    Freitags dachte ich noch mehr als sonst an mein Zuhause, an mein tägliches Leben. Drei Wochen fern von all dem, in dieser Wüste, das war einfach zu viel.
    Ich wollte in meinem Bett und nicht in einem Schlafsack schlafen, in Unterhosen aufwachen und nicht in Uniform, in einer Wohnung und nicht neben Panzern, mich mit fließendem Wasser duschen und nicht von Sandstürmen übergossen werden, auf einer Kloschüssel scheißen und nicht im Feld, meinen Numi-Basra-Tee trinken und nicht Trabelsis verbrühten Kaffee. Ich wollte frühmorgens aufstehen, eine Stunde lang gehen, einen Kaffee im Lebensmittelladen von Leonid, dem Russen, mit zwei warmen Brötchen, bevorzugt mit verbrannter Kruste an den Rändern. Ich träumte davon, wieder auf den Markt in Machane-Jehuda zu gehen, Gemüse und Obst bei den Irakern zu kaufen, eine Portion Falafel mit scharfer grüner Würzpaste zu verschlingen.
    Ich begann mich sogar nach dem Geschrei des turnusgemäß eintreffenden Babys meiner orthodoxen Nachbarin zu sehnen. Jedes Jahr, unberufen, brachte sie ein neues Kind zur Welt, das mich im Morgengrauen mit lästigem Weinen weckte, und sie ließ sich immer Zeit damit, ihm die Brust zu geben.
    Ich sehnte mich nach einem Routinetag, danach, träge ins Büro zu gehen, mich mit Arbeitskollegen wegen Nichtigkeiten zu zanken, ein bisschen mit Levana zu plaudern, der bezaubernden Büroleiterin des amtierenden Ministers, die stets auf dem Sprung war, für den Fall, dass der Minister sie brauchte, in der Kantine die behaarten Beine Floras, der Sekretärin Brockelmanns, zu betrachten und mich zu fragen, warum sie sie nicht rasierte.

    Ich sehnte mich nach den Freitagen. Früh von der Arbeit nach Hause kommen, den Boden wischen und duschen, auf dem Bett ausgestreckt das klassische Wunschkonzert um fünf Uhr hören, auf den kleinen Balkon hinaustreten, um zu sehen, wie die orthodoxe Nachbarin die Schabbatkerzen anzündete, das Licht in ihrem Gesicht einfangen, wenn sie den Segen darüber sprach, beide Hände um die Kerzenflamme wölbte, um das Licht in ihrem Heim zu speichern. Ich wollte mir ein Gläschen Slibowitz einschenken, ein Stück von der Konzertsendung Umm Kulthums um halb sieben hören, nach Katamon 6 zu meinen Alten zum Schabbatkiddusch galoppieren und kalte Bamia-Kube essen. Herr im Himmel, waren das übertriebene Forderungen?
     
    Heiß. Leer. Quälend. Wieder schleppte ich mich in den stillen Schatten des Eukalyptusbaums, lehnte mich mit geschlossenen Augen an seinen Stamm und versuchte, mein Herz durch das Zerreiben von Blättern zwischen den Fingern zu beruhigen.
    »Nuri! Was ist los mit dir? Ich hab den ganzen Lagerplatz auf den Kopf gestellt, und du bist hier! Der Nachrichtenoffizier braucht dich dringend«, unterbrach der Feldwebel des Nachrichtendiensts die Stille und zerrte mich mit.
    »Das ägyptische Funknetz ist uns abgehauen. Die Frequenz ist voller Lieder, was zum Teufel singen sie?«, fragte der Offizier.
    Ich setzte die Kopfhörer auf: »Deine Augen brachten mich zu den Tagen zurück, die vergangen, lehrten mich, die Vergangenheit und ihre Wunden zu bereuen. Was ich gesehen habe, bevor meine Augen dich sahen, war verlorenes Leben, wie soll es als Teil meines Lebens zählen?«, sang Umm Kulthum. »Ja salam, gepriesen sei sein Name! An den Brüsten meiner Mutter schlief ich zu den Klängen ihrer Lieder ein …«
    »Was brauchst du denn so lang?«, schalt mich der Nachrichtenoffizier.
    »Nur einen Augenblick, ein klein wenig Geduld«, erlaubte ich mir, die Rüge zurückzugeben, und um noch etwas Zeit zu gewinnen,
tat ich, als müsste ich noch weitere Informationen abwarten.
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