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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss
Autoren: Ana Veloso
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noch lange wach und ärgere mich über mich selbst. Obwohl ich genau weiß, dass Alices Raffinesse nur gespielt ist, falle ich immer wieder darauf herein und fühle mich in ihrer Gegenwart wie das letzte plumpe Mauerblümchen.
    Als ich geweckt werde, kommt es mir vor, als hätte ich nur eine halbe Stunde geschlafen. Dabei ist es schon nach zehn.Wie immer bringt Maria mir eine Tasse Milchkaffee, öffnet die Fensterläden und piesackt mich so lange, bis ich aufstehe. Obwohl heute der Tag der Feier ist und ich vor Vorfreude hellwach sein müsste, rappele ich mich nur mühsam auf.
    Aus dem Erdgeschoss höre ich Getrampel und Gerumpel.
    Maria interpretiert mein Stirnrunzeln ganz richtig und antwortet auf die ungestellte Frage: » Da unten ist mächtig was los. Der reinste Ballsaal entsteht da. Wenn nur die ungehobelten Kerle sorgsam mit Dona Rosálias Möbeln umgehen… «
    Â» Mach dir keine Sorgen, Maria. Der eine oder andere Kratzer wird uns schon nicht in den Ruin treiben. «
    Die füllige Schwarze schaut mich aus traurigen Augen an. Ich frage mich, was sie jetzt schon wieder für Bedenken vorbringen will, gebe ihr aber keine Gelegenheit, diese zu äußern. » Na komm schon, hilf mir in das gelbe Kleid. Ich will nachsehen, was die da unten treiben. «
    Zwischen Salon, Speisesaal, Arbeitszimmer sowie diversen kleineren Räumen werden die Türen ausgehängt, sodass eine riesige Fläche für die Feier entsteht. Alle Möbel werden umgerückt und anschließend soll der Florist das ganze Erdgeschoss mit frischen Blumen in ein Blütenmeer verwandeln. Ich kann es mir lebhaft vorstellen und freue mich auf die Verwandlung des Hauses genauso wie auf meine eigene. Ach, es wird großartig werden!
    Aufgrund der Möbelrückerei darf ich in der Küche frühstücken, die normalerweise für die Herrschaft tabu ist, es sei denn, wir wollten sie inspizieren. Unsere Gäste bekommen ihr Frühstück auf ihren Zimmern serviert. Ich stürze mich mit großem Appetit auf die Leckereien, die die Köchin auf einem separaten Tisch aufgebaut hat: warme Brötchen und Croissants, Rührei und Tapioca-Fladen, Käsebällchen und Kokoskrapfen, Bananenkuchen und Schinkenpastetchen, dazu bergeweise frisches Obst, Quark, Honig, Marmelade, Käse… Es ist ein wahres Fest. Leider betritt meine Mutter die Küche in genau dem Augenblick, in dem ich mir ein ganzes pastel de carne, eine frittierte Teigtasche mit Hackfleischfüllung, auf einmal in den Mund stopfe und diesen nun kaum noch schließen kann.
    Â» Isabel! Wo hast du deine Manieren gelassen? Schling nicht so. Und mäßige dich, bitte. Wenn du zu viel isst, wirddein Bauch ganz dick. Was sollen denn die Gäste denken? «
    Ich blicke auf meinen sehr flachen Bauch hinab und denke, dass noch einiges hineinpasst, bevor er dick wird. Was ich sage, ist aber nur: » Ja, mãe. « Es hat keinen Zweck, sich mit ihr anzulegen.
    Â» Und wisch dir die Finger gut ab, wenn du fertig bist. Du hast Post bekommen. «
    Ich nicke ergeben. » Ist gut, mãe. «
    Immerhin hält mich die Nachricht von einem Brief davon ab, noch mehr zu futtern. Ich bin so gespannt, von wem er sein mag, dass ich all die verlockenden Delikatessen sausen lasse. Wenig später bereue ich es, dass ich überhaupt gefrühstückt habe. In meinen zitternden Händen halte ich einen Brief von Gustavo.
    Liebe Isabel,
    mit tiefer Beschämung und Enttäuschung muss ich Dir mitteilen, dass ich zu Deinem großen Fest nicht werde kommen können. Eine dringende geschäftliche Entscheidung steht an, und leider lässt sich die Konferenz, die mein Vater anberaumt hat, nicht vertagen, genauso wenig, wie sich meine Abwesenheit entschuldigen ließe.
    Ich wünsche Dir alles Gute zu Deinem Geburtstag und hoffe, dass das Fest ein grandioser Erfolg wird.
    Mit herzlichen Grüßen
    Dein Gustavo
    Das ist niederschmetternd. Es ist die größte Katastrophe, die hätte eintreten können. Dagegen sind Alices kleine Dramen nun wirklich lachhaft. Tränenblind bahne ich mir einen Weg durch die Stühle, Sofas, Vitrinen und Beistelltischchen, die die ganze Eingangshalle versperren, und renne auf mein Zimmer.
    Hier endlich lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Wie kann er mir das antun? Wieso ist seine Anwesenheit bei dieser blöden Konferenz unbedingt erforderlich? Er ist neunzehn Jahre alt und soll
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