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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss
Autoren: Ana Veloso
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uns gemeinsam auf den Ball vorbereiten. Gibt es etwas Schöneres, als sich zusammen mit der besten Freundin anzukleiden, Frisuren auszuprobieren oder Schmuckstücke und Accessoires auszutauschen?
    Ich ziehe ein schlichtes Sommerkleid an, lasse mir von Maria einen Zopf flechten, setze den Strohhut auf und schlüpfe in die Baumwollhandschuhe. Als ob mich all das nicht schon ausreichend vor der starken Januarsonne schützen würde, drückt mir Maria noch einen Sonnenschirm in die Hand.
    João hilft mir in die Kutsche, ein elegantes offenes Gefährt, in dem vier Personen Platz haben, zusätzlich zu den beiden Plätzen vorn auf dem Kutschbock. Auf den Türen prangt das Wappen unserer Familie, gold auf schwarz.
    Wir wollen gerade abfahren, als meine Mutter in der Tür erscheint. Ich sehe sie heute zum ersten Mal. Ich habe mich schon gewundert, warum sie bei dem Termin mit der Schneiderin nicht aufgetaucht ist. Normalerweise mischt sie sich in alles ein und kontrolliert mich auf Schritt und Tritt.
    Â» Isabel, Liebes « , ruft sie, » wieso versteckst du dich vor mir? Lass dich kurz umarmen, Schatz. « Sie kommt zur Kutsche und küsst mich auf beide Wangen. » Herzlichen Glückwunsch! « Sofort danach wird ihr Ton wieder geschäftsmäßig. » Trödel bloß nicht herum. Sieh zu, dass du am frühen Nachmittag wieder hier bist, der Florist kommt. « Dann wendet sie sich an João: » Und du, alter Nichtsnutz, kutschier sie bloß nicht ziellos in der Gegend herum. Ihr fahrt zum Bahnhof und kommt dann schnurstracks zurück, ist das klar? «
    Â» Ja, sehr wohl, Dona Rosália. Kein Getrödel « , antwortet er ergeben.
    Â» Wir beeilen uns, mãe « , versichere ich ihr. Der Florist will Blüten aussuchen, mit denen morgen meine Frisur verziert wird, und die sollen genau zu der Blumendekoration des Hauses passen. Meine Anwesenheit ist dafür eigentlich nicht erforderlich, aber ich will jetzt keinen Streit mit meiner lieben mãe, meiner Mutter, anfangen. Ich winke ihr fröhlich zu, während ich João leise anzische: » Jetzt mach schon, schnell! «
    Je mehr wir uns von Águas Calmas entfernen, desto mehr entspanne ich mich. Unsere Fazenda hat ihren Namen » Águas Calmas « – Ruhige Wasser– von drei Seen, die nicht weit entfernt vom Herrenhaus liegen. Man kann in ihnen baden und fischen. Am schönsten aber ist es, auf dem größten See zu rudern oder sich einfach im Boot treiben zu lassen. Man hört dann nur das Geräusch des an die Bootsplanken plätschernden Wassers, den Gesang der Vögel und das Summen der Insekten. Manchmal brauche ich genau diese Ruhe, denn zu Hause werde ich ja keine Sekunde in Frieden gelassen.
    Jetzt aber lassen wir die Seen links liegen und rumpeln in gemächlichem Tempo über den Feldweg zum Bahnhof. Der Fahrtwind weht mir ums Gesicht, eine Strähne meines Haars hat sich aus dem Zopf gelöst und flattert mir vorwitzig ins Gesicht. Die Sonne scheint, doch fern am Horizont bemerke ich, dass sich bereits die dicken Wolken zu bilden beginnen, die von einem heraufziehenden abendlichen Unwetter künden. Um diese Jahreszeit ist das ganz normal. Diese Tropengewitter geben einem das Gefühl, die Welt ginge unter, aber meist ist nach einer halben Stunde wilden Donnerns und greller Blitze der Spuk vorbei. Anschließend dampft alles und am nächsten Morgen erstrahlt die Welt in einem satten, herrlichen Grün. Viel Sonne, viel Regen: eine Mischung, der wir unseren Reichtum verdanken, denn hier wächst neben Kaffeesträuchern praktisch alles wie von allein. Es ist eine wahre Pracht.
    Weniger prachtvoll ist die tote Kuh, die plötzlich vor unserer Kutsche auf dem Feldweg auftaucht. Weil das verendete Tier hinter einer Kurve liegt, muss João eine Vollbremsung machen, sodass ich nach vorne fliege und mir beinahe die Zähne an der gegenüberliegenden Sitzbank ausschlage.
    Â» Das arme Viech, es wurde bestimmt vom Blitz getroffen « , murmelt João leise.
    Â» Ja, ja, das arme Viech « , brumme ich vor mich hin. » Und wer denkt an den armen Besitzer? Sieh mal nach dem Brandzeichen. Ich hoffe, es war keins von unseren Rindern. « Auch wenn mich selbst Mitleid beim Anblick des Tiers überkommt, darf ich mir das keineswegs anmerken lassen. Ich habe meine Rolle als Tochter des Plantagenbesitzers gelernt. Man darf vor den Sklaven keine Schwäche zeigen.
    João
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