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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss
Autoren: Ana Veloso
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Schmuckstücke verwandelt hat. Ich bin zutiefst gerührt und will ihr einen liebevollen Dank aussprechen, als ich ihr böses Gesicht sehe, das sie beibehält, weil ich noch immer nicht aufgestanden bin.
    Mit Mühe verkneife ich mir ein Grinsen. Maria kann mich nicht täuschen. Sie liebt mich. Und ich liebe sie. Seit ich denken kann, ist sie mir Mutter, Kindermädchen, Schwester und Freundin in einer Person.
    In Wahrheit ist Maria unsere Sklavin. Eine von vielen.
    Eines Tages, wenn ich Gustavo heirate und von hier fortgehe, wird mein Vater sie mir als Mitgift mitgeben. Und wenn sie offiziell mein Eigentum ist, werde ich ihr die Freiheit schenken. Ich finde die Sklaverei schrecklich. Kann ein Mensch einem anderen » gehören « ? Meiner Meinung nach ist das völlig absurd. Wir leben immerhin im späten 19.Jahrhundert, es sind moderne Zeiten. Es gibt elektrisches Licht und immer schnellere Eisenbahnen, neuerdings gibt es sogar einen sogenannten Fernsprechapparat, mit dem man über große Entfernungen hinweg mit anderen Menschen reden kann. Ist das nicht unglaublich? Und mitten in dieser Fortschrittlichkeit, die auch in Brasilien Einzug gehalten hat, leben Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Sklaven, die für uns die niedersten Arbeiten verrichten müssen. Wie in der Antike.
    Es scheint sich allerdings etwas zu ändern. Seit ein paar Jahren gibt es Gesetze, die zum Beispiel den Handel mit Sklaven stark einschränken. So ist es nicht mehr erlaubt, Schwarze in Afrika einfach einzufangen und auf Schiffen hierherzubringen, um sie dann an den Höchstbietenden zu verkaufen. Diese schrecklichen Auktionen, bei denen Menschen wie Vieh versteigert wurden, sind gottlob Vergangenheit.
    Â» Maria, hol mir doch bitte noch ein Glas Wasser, ja? « , will ich die dicke Schwarze wieder losschicken, um noch ein paar Minuten liegen bleiben zu können. Eine schöne Sklaverei-Gegnerin bin ich.
    Maria runzelt die Augenbrauen.
    Â» Sinhazinha… « , grummelt sie düster. » Ich durchschaue Sie. Wenn Sie jetzt nicht sofort aufstehen, dann werde ich Ihrer Frau Mama Bescheid sagen müssen, Geburtstag hin oder her. Es ziemt sich wirklich nicht, den halben Tag so faul im Bett herumzuliegen. «
    Ich muss ihr wohl glauben. Immer wenn sie mich mit » Sinhazinha « anspricht, was im Jargon der Sklaven so viel wie » junges Fräulein « bedeutet, ist Maria ernsthaft verärgert.
    Ã„chzend rappele ich mich auf, werfe die dünne Decke von mir und schlüpfe in die Hausschuhe, die vor meinem Bett stehen. Ich lasse mir von Maria in meinen Morgenmantel helfen und trinke einen Schluck Kaffee. Er ist heiß, süß und sehr hell, wie ich es mag. Es ist mehr Milch darin als Kaffee. Maria kennt mich so in- und auswendig, dass sie ihn sogar zwischendurch immer mal wieder umgerührt hat, sodass sich keine Haut bilden konnte. Ich hasse nämlich Milchhaut.
    Â» Beeilung, Senhorita « , sagt Maria. » Unten wartet schon die Schneiderin. Außerdem wollen Sie ja unbedingt mit João zum Bahnhof fahren, um Ihre Internatsfreundin persönlich in Empfang zu nehmen. Er fährt gegen Mittag los, Sie sollten sich also sputen. «
    João ist unser Kutscher. Auch er ist ein Sklave, aber es fühlt sich für mich eher so an, als sei er ein lieber alter Onkel oder etwas in der Art. Er gehört, wie auch Maria, zur Familie. Ich nutze jede Gelegenheit, um ihn auf seinen Fahrten zu begleiten, denn so furchtbar viele Vergnügungen gibt es auf dem Lande nicht, schon gar nicht für junge Mädchen wie mich. Mädchen aus gutem Hause. Wir dürfen praktisch keinen Schritt allein machen, immerzu werden wir bewacht. Dass es dem Nachbarsjungen und mir vor zwei Jahren gelungen ist, uns davonzuschleichen und uns zu küssen, grenzte an ein Wunder. Allerdings dauerte es damals keine fünf Minuten, bis Maria auftauchte und mich mit sich zerrte. Die Tugend eines Mädchens sei ihr wertvollstes Gut, schärfte sie mir damals ein. Wenn der gute Ruf einmal ruiniert sei, könne man sich eine vorteilhafte Ehe aus dem Kopf schlagen.
    Als ob ich auch nur das geringste Interesse an einer » vorteilhaften Ehe « gehabt hätte. Bis heute kann ich den Ehrgeiz mancher Mädchen nicht ganz nachvollziehen, sich einen reichen Ehemann zu angeln. Ich persönlich träume nicht von dem großen Geld, sondern von der großen Liebe. Genauer: von Gustavo.
    Ich schlürfe noch einen
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