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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Ankunft schon stockdunkel war. Als ich am nächsten Morgen auf den Balkon meines Zimmers trat, schoben sich gerade die ersten Sonnenstrahlen über den Vulkanrand. Ich hatte bis dahin nur kleine Krater, die Mare in der Eifel, gesehen. Dass dieser gewaltige Krater hier sich über 17 bis 20 Kilometer erstrecken und sein Rand 400 und 600 Meter hoch aufragen würde, hatte ich zwar zuvor gelesen, aber erst als ich ihn mit eigenen Augen sah, erfasste ich die Dimensionen und verstand, warum so viele den Ngorongoro als Weltwunder priesen.
    Die Morgensonne beschien gerade die Steppen, sumpfige Tümpel und Wälder in der Ebene, die sich unter mir ausbreitete. In dem grün, braun und gelb gefleckten Kratergrund, zwischen silbrig aufblitzenden Wassern wurde die Welt neu geboren, der erste Schöpfungstag brach an. Die fremden flirrenden Farben waren so frisch wie gerade auf eine Leinwand getupft. Nicht sattsehen konnte ich mich an diesem Naturwunder, das nicht postkartenschön, nicht kitschig, sondern erhaben war – ewiglich schön. Die Hügelketten umfassten wie ein Bilderrahmen dieses lebendige Kunstwerk. Die stille friedliche Weite der Landschaft erfüllte mich ganz, und so heilig sah alles aus, dass ich tief aufseufzen musste. Denn ich konnte es wirklich fühlen: Hier muss alles begonnen haben, nur hier kann alles begonnen haben.
    In diesem Augenblick war ich der erste Mensch, ich ganz allein. Aus tiefstem Herzen war ich dankbar, dass ich Teil dieser Welt war. So lebendig, vom Kopf bis zu den Zehen, hatte ich mich zuvor noch nie gefühlt.
    Auch während der Tagessafari im Krater verließ mich dieses Hochgefühl nie und ließ mich innerlich aufjauchzen, wenn wir von einem offenen Jeep mit dem Fernglas, aber auch mit bloßem Auge die vielen Tiere beobachteten. Es war wunderbar, dass sie sich nicht vor uns fürchteten und davonrannten. Flusspferde suhlten sich seelenruhig weiter in sumpfigen Seen, an den Ufern standen Flamingos. Zebras stapften durch das gelbe Gras, Gnuherden galoppierten neben dem Auto her, Antilopen umringten uns. Kleinköpfige Straußenvögel flitzten über die Fahrwege, auch hässliche Hyänen schlichen umher. Ein Löwe brüllte versteckt hinter den Büschen und eine Elefantenherde stand dicht gedrängt unter der ausladenden Krone eines Baumes. Doch so beeindruckend diese paradiesische Fülle auch war, nichts reichte an den Morgenzauber heran, an diesen ersten Blick in den Ngorongoro.
    Am späten Nachmittag, als wir zurück zu unserer Lodge kamen, wollte ich nur noch unter die Dusche. Doch als ich durch die offene Balkontür ein lautes Rascheln hörte, trat ich hinaus und sah eine Gruppe Elefanten vorbeitrotten, die hier oben am Kraterrand saftige Blätter suchten und mit ihren Rüsseln kleine Zweige abrissen. Die Tiere kamen so nah an die Balkonbrüstung heran, dass ich ihre weißen Stoßzähne fast berühren konnte. Und angesichts dieser Dickhäuter schossen mir wieder die zwei Silben durch den Kopf und wie ein Blitz ins Herz: Lala.
    »Warum hast du mir verschwiegen, dass wir da sind?«, fuhr ich meine Großmutter an, die zu mir auf den Balkon getreten war.
    »Was soll ich verschwiegen haben?«, fragte sie erstaunt.
    »Dass wir in Lala sind!«
    Meine Großmutter lachte zuerst über mich, glaubte an einen Scherz. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Wo soll es denn sonst sein? Alles passt doch!« Stumm und vorwurfsvoll deutete ich auf die Elefanten. »Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen!«
    »Wir sind in Afrika, nicht in Asien, Tanja. Das sind afrikanische Elefanten.« Sie schüttelte nur den Kopf. »Geh lieber schlafen, es war heute wohl ein bisschen viel.«
    Aber ich konnte einfach nicht aufhören, wollte endlich mehr wissen über mein Traumland und meinen Vater. Wahrscheinlich war das alles für eine Fünfzehnjährige viel zu schön und zu groß und kaum zum Aushalten gewesen, so sehe ich das heute. Und inmitten dieser übermenschlichen Natur, die nach einem Regenguss unwirklich glitzerte, hatte ich mich plötzlich so verdammt verloren gefühlt, dass ich gerne von meiner Mutter oder meinem Vater in den Arm genommen worden wäre.
    »Dann sag mir doch endlich, wo genau das Laos-Labor ist«, bohrte ich weiter und warf meiner Großmutter vor, mich nicht ernst zu nehmen.
    »Doch, das tue ich, Tanja Jane, sonst würden wir nicht hier zusammenstehen. Und ich verspreche dir auch, alle Fragen zu beantworten, wenn die Zeit reif ist.«
    »Bringst du mich dann auch nach Lala?«
    »Wenn die Zeit reif ist,
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