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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Ehrenwort.«
    Ich fühlte mich nun nicht mehr ganz so elend, aber immer noch alleingelassen und voller Sehnsucht, als sich doch tatsächlich ein Regenbogen über den Himmel spannte. Er bildete eine Brücke zwischen dem trüber werdenden Abendhimmel und einigen Regenwolken. Das war einfach zu schön und zu echt, um kitschig zu sein, und ich nahm es als ein Zeichen, von wem oder was auch immer, von nun an besser zu schweigen und abzuwarten. Aber noch etwas anderes hatte ich mir in diesem Augenblick vorgenommen.
    »Ich studiere später Paläoanthropologie, genau wie du«, verkündete ich meiner Großmutter feierlich.
    Sie nickte nur und legte liebevoll den Arm um mich. Eine Weile standen wir still auf dem Balkon und warteten, bis es ganz dunkel geworden war. Plötzlich summte meine Großmutter das kleine Menschwerdungslied, für das meine Mutter auf die alte Melodie von You are my Sunshine einen eigenen Text verfasst hatte. Es war als Kind mein liebstes Einschlaflied gewesen. Obwohl ich es schon viele Jahre nicht mehr gehört hatte, fiel mir der Refrain sofort wieder ein:
    Du bist ein Menschlein, mein schönes Menschlein.
Du bist meine Tanja Jane.
Du bist uns Hoffnung, bist unser Sonnenschein
und du wirst deine eigenen Wege gehn.
    Meine Großmutter sang die letzte Zeile mit, obwohl sie keinen Ton richtig traf. Fest drückte sie meine Hand und sagte: »Es fällt leichter, eigene Wege zu gehen, wenn man vorher gemeinsam gegangen ist und in die Fußstapfen anderer treten konnte.«
    »Wie die drei in Laetoli vor Millionen von Jahren!« Ich war stolz, dass ich die Geschichte behalten hatte, und meine Großmutter lobte mich: »Ich bin ganz sicher, du wirst einmal eine wunderbare Menschenherkunftsversteherin sein!« So hatte sie mir früher immer dieses Fremdwort »Paläoanthropologin« übersetzt.
    »Du bist jetzt Jane Nummer fünf.« Es klang fast ein wenig feierlich, als meine Großmutter mich so nannte. Ich fühlte mich sehr erwachsen und widersprach nicht, sagte ihr nicht, dass ich diese Bezeichnung altmodisch fand. So war in untergegangenen Königshäusern gezählt worden, aber wir lebten schließlich Ende des 21. Jahrhunderts. Und auch weil meine Mutter es immer abgelehnt hatte, Jane IV genannt zu werden und so ihrer Mutter nachzufolgen, passte die andere Bezeichnung doch viel besser zu mir, die ich für mich ausgewählt hatte: Jane reloaded.
    Das Versprechen meiner Großmutter vergaß ich nie, auch wenn ich nicht immer daran dachte. Ebenso verhielt es sich mit den Elefanten und der afrikanischen Landschaft. Als ich dann endlich Paläoanthropologie studierte, musste ich nur die Augen schließen, und der Ngorongoro wurde zu einer prachtvollen Kulisse für eine der ganz großen Fragen, die nicht nur mich umtrieb: Warum wurde der Mensch überhaupt möglich?
    In Seminaren diskutierten wir leidenschaftlich, wie schon Generationen vor uns, ob die menschliche Kultur vielleicht damit begonnen hatte, als ein Hominine zum ersten Mal einen Stein von der Erde hochhob und gegen einen Feind warf. Indem unser Vorfahr sich so gegenüber der Welt verhielt, löste er sich aus dem banalen Kreislauf des Fressens und Gefressenwerdens und veränderte zum ersten Mal die primitive tierische Reiz-Reaktions-Kette. Diese fantasierte Urszene verortete ich – egal, was die Experten auch sagten – für immer auf diesem Kratergrund. Aber erst neun Jahre nach dem unvergessenen Blick in den erloschenen Vulkan entschied ich, dass nun die Zeit reif war, um ins Laos-Labor aufzubrechen. Nicht nur weil ich meinen Uni-Abschluss in der Tasche hatte und es mir irgendwie schuldig war. Den eigentlichen Anstoß hatte folgender Bericht geliefert.
    Begaffen uns am Ende die Tiere?
    Angeblich echte Urmenschen sorgen für Besucheransturm – Streit um ihre Duldung hat begonnen.
    (San Diego, USA) »So echt waren sie noch nie«, das ist die einhellige Meinung der Besucher, die seit Kurzem den berühmten Tiergarten von San Diego stürmen. In einem großen Freigehege können sie eine dreiköpfige Homo erectus -Gruppe bewundern.
    Eingezäunte Frühmenschen: Gibt es die wirklich? Oder ist alles wie schon oft einfach nur gutes Theater? Sogenannte »lebende Ausstellungen« haben gerade in diesem Zoo eine lange Tradition: Schauspieler maskierten sich bereits als Neandertaler und gaben das Steinzeitpaar oder unterhielten das Publikum kostümiert als affenähnliche Vormenschen.
    Die drei Neuen jedoch hätten diesen Beruf und den Zoo als Zuhause freiwillig gewählt und sogar
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