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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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erfahren.
    Meine Mutter versuchte gleichgültig auszusehen, aber seit ich den Messel-Mann erwähnt hatte, drehte sie, wie immer, wenn sie nervös wird, kleine Haarsträhnchen über dem rechten Ohr. Und ich sah auch, dass die Blätter in ihrer Hand zitterten.
    »Der zweite Bericht ist aktueller. Am besten, ihr fangt damit an«, schlug ich vor.
    Meine Großmutter blieb ruhig, setzte langsam ihre Lesebrille auf und strich das Papier glatt. »Dann wollen wir mal. Darf ich auch mit dem alten Bericht anfangen?«
    »Hauptsache, du liest beide.«
    Falscher Homo erectus aus Messel
    Schabernack oder Forschungsskandal?
    (EPD, Frankfurt) Ein spektakulärer Skelettfund wurde vor zwei Wochen – wir berichteten – in der Grube Messel bei Frankfurt gemeldet, dem einzigen Weltnaturerbe auf deutschem Boden, dessen 75. Jubiläum vor zwei Jahren groß gefeiert wurde.
    Wie erste veröffentlichte Fotos zeigen, handelt es sich nicht um fossile Knochen, obwohl der gesamte Körperbau und besonders der Schädel die typischen und augenfälligen Merkmale einer schon lange ausgestorbenen Menschenart, des Homo erectus, aufweisen. Dieser erfolgreiche Frühmensch entwickelte sich vor etwa zwei Millionen Jahren in Afrika und besiedelte den europäischen und südostasiatischen Raum – und das über eine Million Jahre lang!
    Aus dem Ölschiefer, wie einige Sensationsblätter überstürzt gemeldet hatten, konnte das Skelett, das sofort auf den Namen Messel-Mann, abgekürzt MM, getauft wurde, natürlich nicht stammen. Da hätte es über 40 Millionen Jahre alt sein müssen, aber zu jener Zeit war an Menschen nicht einmal zu denken! Der Fund stammte denn auch aus einer Höhle, die hinter abgekippten, über hundert Jahre alten Betonteilen verschüttet gewesen war.
    Eine Untersuchung zum genauen Alter der geheimnisvollen Überreste bestätigte inzwischen: Die Knochen sind tatsächlich 25 Jahre jung. Eine neue paläoanthropologische Sensation hat die Gruppe Messel also nicht geliefert.
    Doch das Rätselraten ist immer noch nicht zu Ende: Inzwischen erfolgte nämlich eine Abgleichung mit allen gespeicherten Gen-Daten europaweit. Dabei fand man zwar keine Übereinstimmung oder Hinweise auf einen vermissten 25-jährigen Mann, doch eine zweite, aufwändigere genetische Untersuchung des Messel-Fundes barg eine andere Überraschung: Im Genom von MM entdeckten Forscher zahlreiche »alte Anteile«, die das fossile Aussehen erklären könnten.
    Woher diese typischen Homo erectus-Genveränderungen in einem so »jungen« Skelett stammen, konnte das Zentrum für evolutionäre Anthropologie, EVA, noch nicht aufklären. Experten halten den Fund für eine geschickte Fälschung. »Früher baute man Knochen zusammen, um Kollegen zu testen, verpasste einem Menschenschädel zum Beispiel einen Orang-Utan-Kiefer. Heute wird eben zeitgemäß molekularbiologisch herumgebastelt«, vermutet die ehemalige EVA-Mitarbeiterin Augusta Klark (48), auch als Mammut-Jane bekannt, weil ihr als Erste das Klonen der Mammuts gelungen war. »Ein solcher wissenschaftlicher Schabernack kommt in unserer Community immer wieder vor, wir nehmen das sportlich. Die gute Nachricht ist doch, wir sind nicht darauf reingefallen!«
    Steckt hinter allem wirklich nur ein Scherz? Das fragen dagegen Vertreter der Gruppe Animal Watch. Sie machten erneut öffentlich, dass vor drei Jahren nahe dem Goldenen Dreieck im neu gegründeten Thaimyla ein ähnlicher mysteriöser Fall für Aufsehen gesorgt habe. »Dort werden mit Sicherheit illegale Experimente durchgeführt«, behauptete die als Klon- und Chimärengegner bekannte Gruppe, zu der auch die Tochter von Mammut-Jane gehört. Sie vermuten einen Forschungsskandal in einem Freiluftlabor im ehemaligen Laos, das zugleich ein Bergregenwaldbiotop ist.
    Nachfragen bei EVA und dem europäischen Forschungsministerium brachten jedoch immer nur das eine Ergebnis: Kein weiterer Kommentar! Denn es gebe schließlich Wichtigeres als den falschen Homo erectus aus Messel.
    Während meine Großmutter die zwei Artikel las, lächelte sie immer wieder zufrieden. Sie liebte es, zitiert und als »Mammut-Jane« erinnert zu werden, das wusste ich. Die Reaktion meiner Mutter war jedoch ganz anders. Je weiter sie mit der Lektüre vorankam, umso blasser und angestrengter sah sie aus. Am Ende presste sie die Lippen zusammen, bis ihr schöner Mund nur noch ein roter Strich war.
    Als beide fertig gelesen hatte, sagte ich: »Diese Homo erectus- Menschen in San Diego sind weder Fälschungen
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