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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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hatte sie alles abgenickt und das Team nur begierig gefragt, wann es endlich so weit sei und sie das angekündigte besondere Exemplar treffen könne. Auch ihr ist anscheinend in Fleisch und Blut übergegangen, was ihre Art von allen anderen Lebewesen trennt: der Dünkel, sich für die Krone der Schöpfung zu halten. Seit die Menschen anfingen, sich weise zu nennen, sapiens, wurden sie immer überheblicher. Nur weil sie angeblich die größten und leistungsstärksten Gehirne haben, egal, was sie damit ausbrüten. Und sei es diese Versuchsanordnung, in die sie hier geraten ist. Oder dieses Labor im Regenwald. Vielleicht aber ist genau das der verhängnisvollste Irrtum der menschlichen Geschichte, denkt sie. Und um das herauszufinden, sitzt sie vielleicht auch hier.
    Dass sie sich vor ihm schämen würde, hätte Tanja Jane nie gedacht. Dass sie nun so bewegt und verunsichert ist, ihr kleine Schauer den Rücken hinunterlaufen und sie vor Rührung weinen muss, trifft sie unerwartet.
    Sie starrt auf die immer noch verschränkten Hände, als plötzlich sein Daumen ganz leicht über ihren Handrücken streicht. Nur kurz, sehr vorsichtig und irgendwie zärtlich und tröstlich.
    Es könnte auch ein zufälliges Zucken gewesen sein, eine unwillkürliche Bewegung, denkt sie, als es ihr wie ein kleiner Blitz in die Magengrube fährt. Sie versucht, ihre rechte Hand wegzuziehen, und er gibt die hellen Finger sofort frei. Ihre Hände lösen sich voneinander.
    Was geht in ihm vor? Was fühlt und denkt er?, fragt sie sich. Vielleicht so etwas wie: warm hand gut mensch wollen was?
    Nun baumeln seine Arme neben dem breiten Oberkörper herab. Sie schaut ihrem Gegenüber zum ersten Mal offen ins Gesicht. Seine braune Haut glänzt, Schweißperlen tropfen vom dichten Haaransatz auf seine Stirn. Auch er schwitzt in der tropischen Schwüle, genau wie sie, obwohl durch das umlaufende, glaslose Fensterband, das nur mit filigran geschnitzten, durchlässigen Holzgittern versehen ist, Luft in den Begegnungsraum dringt und an der Decke vier Ventilatoren kreisen.
    Seine Brauenwülste sind nicht sehr ausgeprägt, die Stirn ist nur leicht abgeflacht. Er sieht anders aus, aber nicht wirklich fremd und schon gar nicht äffisch. Weil er nicht nur Nasenlöcher hat, wie manche Experten vermutet haben, registriert Jane. Seine Nase ist eher klein und breit, und ihr fallen die ausgeprägten Nasenflügel auf, die leicht zittern. Aber seinen Blick aus den dunklen Augen, der dem ihren so sicher standhält, kann sie nicht wirklich deuten. Am Ende senkt nicht er, sondern sie den Blick.
    Tanja Jane greift neben sich nach einer Wasserflasche aus Plastik, schraubt den Deckel auf und trinkt einen Schluck. Sie spürt, dass er jede ihrer Bewegungen beobachtet.
    Sie räuspert sich.
    Jetzt oder nie.
    Sie legt die rechte Hand auf ihr Herz und schaut ihn wieder an. Zaghaft formuliert sie das abgesprochene Wort Herz auf Global: »Haart.« Beim zweiten Mal ist ihre Bewegung entschiedener, ihre Stimme klingt nun klarer, fester, lauter, fast fröhlich: »Haart!«
    Wie ein Spiegelbild wiederholt er stumm die Geste, einmal und auch ein zweites Mal. Aber er sagt nicht haart, wie ihr das Team es vorausgesagt hat. Stattdessen streckt er stumm seinen langen linken Arm nach ihr aus. Das war nicht geplant.
    Was tun? Aufstehen? Gehen? Panik überfällt Tanja, sie beginnt zu zittern, bleibt aber sitzen.
    Sein ausgestreckter Zeigefinger nähert sich ihrem Gesicht. Vorsichtig tippt er auf ihre tränenfeuchte Wange, führt die Hand langsam zum Mund und leckt an der Fingerkuppe.
    »Saalt!« Klar und verständlich spricht er sein erstes Global-Wort aus, nur das T am Ende presst er zu hart und zu laut zwischen den Zähnen hindurch.
    Ein Pfiff ertönt und die hintere Tür des Begegnungsraums öffnet sich.
    Er kennt das Signal, richtet sich auf. Kurz bleibt er stehen und schaut von oben auf die junge Frau im hellen Kittel herab. Dann legt er seine rechte Hand auf die linke Brust, und langsam formen seine Lippen jetzt das Wort, auf das sie und ihre Beobachter vorhin gewartet haben. Zuerst hört sie ein schwaches H, dafür klingt das zischende T am Ende wieder zu laut: »Haart.«
    Er dreht sich um und geht auf die Tür zu, trottet zu den anderen, die immer dort auf ihn warten und genauso gekleidet sind wie die Neue. Doch bevor er den Raum verlässt, schaut er über die Schulter zurück zu Tanja Jane. In diesem Blick meint sie lesen zu können: tränen ende gut sehen wieder.
    Ich auch, denkt sie, ich
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