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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Autoren: Charlotte Brontë
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nicht kalt wie eine Tote, nicht leer wie Luft, nicht wahr?«
    »Mein Liebling am Leben! Dies sind ihre Glieder, dies ihr Gesicht! Aber so glücklich kann ich nicht werden nach all meinem Elend. Es ist ein Traum, wie ich ihn so oft während der trostlosen Nächte hatte, wenn ich sie noch einmal an mein Herz drückte, wie ich es jetzt tue; und sie küsste wie jetzt, und fühlte, dass sie mich liebte, und hoffte, dass sie mich nicht verlassen würde.«
    »Und das werde ich von heute an auch nicht mehr tun, Sir.«
    »›Nicht mehr tun‹, sagt die Vision? Aber ich erwachte stets und fand, dass es bittere Täuschung gewesen war. Und ich war einsam und verlassen; mein Leben dunkel, trübe und hoffnungslos. Meine Seele dürstete, und niemand reichte ihr einen erquickenden Trunk – mein Herz hungerte, und die Nahrung blieb ihm versagt. Du sanfter, süßer Traum, der du mir jetzt im Arm ruhst, du wirst wiederum entfliehen, wie all deine Schwestern vor dir entflohen sind. Aber küsse mich, bevor du gehst – umarme mich, Jane!«
    »Hier, Sir – und hier!«
    Ich presste meine Lippen auf seine einst so strahlenden und jetzt völlig glanzlosen Augen; ich strich ihm das Haar aus der Stirn und küsste auch diese. Plötzlich schien er sich aufzuraffen; er wurde sich der Wirklichkeit dessen, was geschah, bewusst.
    »Bist du es – ist es Jane? Du kommst also zu mir zurück?«
    »Ja.«
    »Und du liegst nicht tot in irgendeinem Graben oder einem Fluss? Du weilst nicht traurig, einsam und ausgestoßen unter fremden Menschen?«
    »Nein Sir, ich bin jetzt eine unabhängige Frau.«
    »Unabhängig? Was heißt das, Jane?«
    »Mein Onkel auf Madeira ist gestorben und hat mir fünftausend Pfund hinterlassen.«
    »Ah! Dies ist Realität, dies ist Vernunft!«, rief er aus. »So was würde ich nicht träumen! Nebenbei, das ist ja auch wieder ihre eigenartige Stimme, so belebend, so reizend und doch so sanft. Sie erfrischt mein krankes Herz und flößt mir neues Leben ein. – Was, Janet? Du bist jetzt unabhängig? Eine reiche Frau?«
    »Ziemlich reich, Sir. Wenn Sie mich nicht hier wohnen lassen wollen, so kann ich mir ein Haus ganz nahe vor Ihrer Tür bauen, und dann können Sie zu mir kommen und bei mir im Wohnzimmer sitzen, wenn Sie sich des Abends nach Gesellschaft sehnen.«
    »Da du nun aber reich bist, Jane, so wirst du ohne Zweifel Freunde haben, die sich um dich kümmern und nicht dulden werden, dass du dich ganz und gar einem armen, blinden Jeremias widmest.«
    »Ich sagte Ihnen ja, dass ich unabhängig bin, Sir, und reich obendrein. Ich bin jetzt meine eigene Herrin.«
    »Und du willst bei mir bleiben?«
    »Gewiss – wenn Sie nichts dagegen haben. Ich werde Ihre Nachbarin, Ihre Pflegerin, Ihre Haushälterin sein. Ich finde Sie hier einsam und traurig: Ich werde Ihre Gesellschafterin sein. Ich will Ihnen vorlesen, mit Ihnen spazieren gehen, bei Ihnen sein, Ihnen aufwarten und Sie bedienen, Augen und Hand für Sie sein. Mein teurer Herr, jetzt dürfen Sie nicht mehr so traurig aussehen; solange ich lebe, werden Sie nicht mehr einsam sein.«
    Er entgegnete nichts; er schien ernst, in Gedanken versunken. Er öffnete die Lippen, als ob er sprechen wollte, dann schloss er sie wieder. Ich war ein wenig verlegen. Vielleicht hatte ich die Grenzen der Konventionen zu schnell überschritten, und vielleicht erblickte auch er wie St. John etwas Unschickliches in meiner Unbedachtsamkeit. Ich hatte meinen Vorschlag in der Tat in dem Glauben gemacht, dass er mich bitten würde, seine Frau zu werden. Wenn ich der Erwartung, dass er mich sofort als sein Eigentum reklamieren würde, auch keine Worte verliehen hatte, so hatte ich sie doch voller Überzeugung gehegt. Da ihm aber kein einziges Wort nach dieser Richtung hin entschlüpfte und sein Gesicht immer trüber und trüber wurde, so fiel mir plötzlich ein, dass ich mich ja auch geirrt haben und, ohne es zu wissen, die Närrin gespielt haben könnte. Deshalb begann ich, mich leise seinen Armen zu entwinden – er jedoch presste mich noch fester an sich.
    »Nein, nein, Jane, du darfst nicht gehen. Nein, jetzt habe ich dich gefühlt, dich gehört, den Trost deiner Nähe empfunden – die Milde deines Trostes! Diese Freuden kann ich nicht wiederum opfern. In mir selbst ist wenig geblieben, ich brauche dich. Die Welt mag lachen – mag mich albern, selbstsüchtig nennen, das bedeutet nichts. Meine Seele verlangt nach dir, und ihr Wunsch muss erfüllt werden, oder sie nimmt tödliche Rache an ihrer
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