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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval
Autoren: Craig Russell
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zu werden. In der Öffentlichkeit war es schwieriger, jemanden umzubringen und seine Leiche zu beseitigen.
    Trotz seiner Ausbildung setzte sich Buslenko unbeirrt für den neuen Weg der Ukraine ein. Er war stets Patriot gewesen und sah nun die Zukunftsmöglichkeiten, die sein Land verdiente. Sein Herz hatte der Orangenen Revolution gehört, doch in einem Milieu wie dem des Celestia fühlte er sich unbehaglich. Hier wollte man westlichen Wohlstand und Glamour nachahmen, doch irgendetwas daran kam Buslenko unecht und fremdartig vor. Als hätte er ein rotwangiges Bauernmädchen in einem zu grellen Cocktailkleid und mit ungeschickt aufgetragenem Make-up vor sich.
    Am Eingang des Clubs hatten sich zwei schwarz gekleidete Türsteher aufgebaut. Der eine war stiernackig und von schweigender Massivität; der zweite, kleiner, schlanker und freundlicher, lächelte Buslenko an, während er ihm die Tür öffnete. Wie in jeder Situation schätzte Buslenko automatisch das Risiko ein, das die Männer darstellten. In Sekundenschnelle identifizierte er den kleineren als Hauptgefahr, denn dieser bewegte sich schnell und behende und versteckte seine Gedanken hinter einer lächelnden Maske. Im Gegensatz zu dem schwerfälligen Bodybuilder war er vermutlich zu rascher und tödlicher Gewalt fähig. Ein Killer – wahrscheinlich mit einer Speznas-Vergangenheit. Es war wie ein Blick in den Spiegel.
    Buslenko trat an die Bar und bat um ein Obolon. Der Barkeeper erklärte mit ernster Miene, dass im Celestia weder Obolon noch irgendein anderes ukrainisches Bier angeboten werde. Daraufhin bestellte Buslenko ein überteuertes deutsches Pils. Das Personal im Celestia hatte viel zu tun, ohne überlastet zu sein. Die Kunden, jung und vermögend, waren in den Glanz von Gucci und Armani gehüllt. Ein langer, ausladender Bogen aus funkelndem schwarzem Granit über edlem Walnussholz bildete den Bartresen. Die Wände waren von Deckenflutern erhellt, die geschmeidige, erotische Gestalten auf die samtene, tiefrote Tapete warfen. Auf Buslenko wirkte das Celestia, als hätte ein moderner Innenarchitekt die Hölle darstellen wollen. Der ideale Ort, dachte er, um sich mit dem Teufel zu treffen.
    Er bemerkte eine Person an seiner Seite und drehte den Kopf. Sein Blick fiel auf eine junge blonde Frau. Sie war hochgewachsen und schlank und hatte kurzes blondes Haar, hohe slawische Wangenknochen, eine breite, blasse Stirn und strahlend hellblaue Augen. Ihr wunderschönes Gesicht konnte nur einer Ukrainerin gehören.
    »Guten Abend«, begrüßte ihn die ukrainische Schönheit mit einem perfekten Porzellanlächeln. »Sie werden erwartet. Würden Sie mir bitte folgen. Ihre Gesprächspartner haben ein Privatzimmer reserviert.« Sie stellte Buslenkos Bier auf ein Tablett, wandte sich von der Bar ab und warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass er ihr folgte. Zunächst musterte Buslenko die anderen Gäste in seiner Nähe, als wolle er sicher sein, dass ihn niemand beobachtete.
    Die ukrainische Schönheit führte ihn durch eine Doppeltür in einen dunklen, tunnelartigen Flur mit Wänden aus schwarzem Obsidianglas. Sie wurden von winzigen, hellen Punktstrahlern erleuchtet, deren Glanz sich auf dem reflektierenden Obsidian unendlich wiederholte. Die Frau klopfte an eine Tür und hielt sie Buslenko weit auf, der das große, luxuriöse Hinterzimmer betrat.
    Vier Männer saßen auf einem teuren L-förmigen Sofa an einem niedrigen Tisch. Darauf standen Wodkagläser und eine Flasche, neben denen eine Akte mit blauem Einband lag. Die Männer erhoben sich, als Buslenko eintrat. Wie bei den Türstehern war ihre frühere Zugehörigkeit zu den Spezialtruppen nicht zu übersehen. Alle schienen vierzig bis fünfzig Jahre alt zu sein, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich Kriegserfahrung hatten. Buslenko nahm die dunkle Glaswand hinter ihnen zur Kenntnis, die diese Bewirtungssuite offenbar von der nächsten trennte. Der Nachbarraum lag im Dunkeln, und die Verbindungstür war geschlossen. Doch ein vages, gleichwohl sicheres Gefühl sagte Buslenko, dass er nicht leer war.
    Der Mann in der Mitte des Sofas hatte früh ergraute Haare, die auf seinem Schädel zu Stoppeln gestutzt waren. Von den Borsten zog sich eine Narbe über seine breite Stirn bis zum äußeren Ende seiner rechten Augenbraue.
    Buslenko hatte das Zimmer wie üblich bereits zum zweiten Mal in aller Eile gemustert und aus der Körpersprache der anderen auf den höheren Rang des Narbigen geschlossen.
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