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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval
Autoren: Craig Russell
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vor deiner Ankunft chancenlos war, aber vier gerettet.«
    »Wie geht es Aichingers Familie?«, fragte Anna.
    »Gut. Jedenfalls körperlich. Aber alle sind traumatisiert. Die Schüsse, die die Nachbarn gehört hatten, waren in die Decke gefeuert worden … und Gott sei Dank hielt sich zu dem Zeitpunkt niemand in der Wohnung darüber auf.«
    Fabel hatte Aichingers Frau, seine siebenjährige Tochter und seine beiden Söhne, neun und elf Jahre alt, im Wohnzimmer vorgefunden. Der Mann hatte sie gefesselt und mit Paketband geknebelt. Fabel würde nie erfahren, ob Aichinger es getan hatte, um sie später umzubringen. »Das kleine Mädchen leidet am stärksten. Für Kinder ist die Welt sehr einfach. Als sie heute Morgen aufwachte, war ihr Leben genau so, wie es sein sollte. Aber heute Abend wurde ihre Welt auf den Kopf gestellt.« Fabel bemerkte, dass er gerade Aichingers Worte wiederholt hatte. »Wie kann man einem Kind in dem Alter erklären, was geschehen ist? Wie soll sie mit der Erinnerung leben?«
    »Hauptsache, dass sie damit leben wird.« Werner nippte an seinem Kaffee. »Sie werden alle damit leben. Wenn du Aichinger nicht zum Reden gebracht hättest, wären alle vier vielleicht tot.«
    Fabel zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht …«
    Das Klingeln des Telefons unterbrach ihn. Werner hob den Hörer. »Du wirst in den fünften Stock bestellt«, sagte er mit einem Grinsen und legte auf. Im fünften Stock des Polizeipräsidiums befanden sich die Büros sämtlicher hohen Tiere, auch die der Präsidialabteilung.
    Fabel verzog das Gesicht. »Dann mache ich mich wohl besser auf den Weg …«
    4.

    Wenn Saschas Informationen stimmten, wusste Taras Buslenko bereits, wo das Treffen stattfinden würde. Aber die andere Seite ahnte das natürlich nicht und würde ihn durch ganz Kiew schicken, bevor sie ihm das Ziel verriet. Und er musste sich auf den Firlefanz einlassen.
    Beim ersten Anruf auf Buslenkos Handy hatte man ihm befohlen, sich zum Hotel Mir am Golossejewski-Prospekt aufzumachen und auf dem Parkplatz zu warten. Nach zehn Minuten hatte er einen zweiten Anruf mit der Aufforderung erhalten, ins Stadtzentrum zurückzukehren. Dort sollte er in der Kiewski-Passage parken und den Kreschtschatik-Boulevard hinuntergehen.
    Es war ein Samstagabend, und man hatte den Kreschtschatik wie jedes Wochenende für den Verkehr gesperrt, damit tagsüber Einkaufende und Touristen und nachts Clubbesucher ungehindert herumspazieren und die Pracht des Boulevards bewundern konnten. Sogar Buslenko, der die riesige Straße entlangmarschierte, bemerkte unwillkürlich, wie schön sie, immer noch mit glitzernden Weihnachtslichtern geschmückt, aussah. Frischer, leichter Schnee war gefallen, sodass der breite Boulevard und die ihn säumenden Bäume an dem frostigen Winterabend mit Puderzucker bedeckt zu sein schienen.
    Buslenko schritt, wie man ihn angewiesen hatte, in die entgegengesetzte Richtung vom Unabhängigkeitsplatz. Er war im November und Dezember 2003 dort gewesen, fasziniert vom Anblick der orangenen Fahnen. Die Luft hatte unter der Verheißung des Wandels geknistert, und er hatte sich als Teil von etwas Gewaltigem, Unaufhaltsamem gefühlt. Allerdings war Buslenko kein Anhänger einer der beiden Seiten gewesen. Vielmehr hatte er einen Sicherheitstrupp angeführt, der den Platz schützen und eine blutige Auseinandersetzung zwischen den »blauen« Gefolgsleuten von Janukowitsch und den »orangenen« Revolutionären Juschtschenkos verhindern sollte. In erster Linie jedoch war es die Aufgabe der Miliz gewesen, die Stärke des Regimes zu demonstrieren. Aber die Leiter der Miliz und der Nachrichtendienste hatten die Wende erkannt, und viele Angehörige der Sicherheitstruppen, darunter Buslenko, sympathisierten mit der Revolution. Schließlich war seine Abteilung abgezogen worden.
    Buslenko achtete darauf, ohne einen Seitenblick am Nachtclub Celestia vorbeizuschlendern. Vielleicht hatte Sascha sich geirrt, oder vielleicht waren die Personen, mit denen er sich treffen sollte, einfach übervorsichtig.
    Fast hatte er das Zentrale Kaufhaus erreicht, als sein Handy erneut klingelte. Diesmal forderte man ihn auf, an der Bar des Nachtclubs Celestia zu warten. Das Celestia war eines der glitzernden Symbole für die Sehnsüchte der neuen Ukraine: ein strahlendes Vergnügungslokal im Kiewer Stadtzentrum am Kreschtschatik, unweit vom Unabhängigkeitsplatz. Buslenko fühlte sich erleichtert, denn er hatte befürchtet, zu einem fernen Teil Kiews umgeleitet
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