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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Autoren: Ulrich Gast
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Freude ganz anderer Natur. Aus der anfänglich erschaffenden, kämpferischen Freude mit dem entsprechenden Kick wurde über den Weg hinweg eine verinnerlichte Zufriedenheit über das Erreichte, eine sozusagen zurückblickende, in mir ruhende, friedvolle Freude ohne merklich extrovertierte, triumphale Auswirkungen. Vergleichbar könnte sie mit dem Gefühl bei der Christmette sein, nur viel intensiver. Mit Beginn der Adventszeit steigert sich die Freude auf das Christfest zusehends, bis sie bei der Christmette ihren Zenit erreicht. Ab dem ersten Weihnachtsfeiertag beginnt sie sich von Tag zu Tag zunehmend abzuschwächen.
    Gleiches galt auch für das Gemeinschaftsgefühl. Jeden, den ich in Santiago de Compostela wieder getroffen hatte, hatte seine persönlichen Erwartungen an den Camino, das heißt, nicht an dessen Beschaffenheit sondern an dessen Begehen und Erleben, erfüllen können, seien sie religiöser, spiritueller, psychologischer oder einfach nur sportlicher Art gewesen. Bereits auf dem Weg konnte ich bei keinem auch nicht bei mir eine Spur eines Konkurrenzdenkens gegenüber anderen feststellen. Der einzige Konkurrent war man selbst, waren die persönlichen Ansprüche an einen selbst. Dieses galt umso mehr, als am Ziel kein Publikum einen erwartet, um zu applaudieren. Der einzige Applaudierende war jeder für sich selbst.
    So, wie man sich darüber freute, dass man seine persönlichen Ansprüche an sich selbst erfüllen konnte, so freute man sich auch mit den anderen über deren persönlichen Erfolg. Dieser unausgesprochene Konsens führte letztendlich zu einer unbeschreibbaren, gemeinschaftlich empfundenen Lust. Es gab nur Sieger, keine Besiegten!
    Und dieser Lust konnte auch das auf touristischen Kommerz ausgerichtete Compostela nichts anhaben. Es waren quasi zwei Welten, die des Pilgers, gleich ob es sich hierbei um einen Fuß-, Rad- oder Reiterpilger handelte, und die des Touristen.
    So deutlich wie in diesem Augenblick hatte ich den Unterschied seit Beginn meiner Pilgerschaft noch nie wahrgenommen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich aus der Natur der Sache heraus zwischenzeitlich bereits zum Tourist geworden war. Mein Dasein war nicht länger von den Bürden eines Pilgers sondern überwiegend nur noch vom Anspruchsdenken eines zahlenden Erholungssuchenden geprägt.
    Trotz dieser gedanklichen Ausschweifungen während meines Herumstreunens zwischen all den Souvenir- und Votivläden bin ich dennoch fündig geworden und habe mir einen hübschen Santiago zum an die Wand hängen neben weiteren Mitbringsel für meine Lieben zu Hause erworben. Meine Suche kam mir wie diejenige nach der berühmt berüchtigten Nadel im Heuhaufen vor, denn überall wurden fast dieselben Santiagofiguren lediglich in unterschiedlicher Größe, Materialien und mit leicht unterschiedlichen Körperhaltungen feil geboten, die mir samt und sonders nicht gefielen. Obgleich ich mir immer als Erinnerung für meine Pilgerschaft eine Holzplastik Santiagos als Matamoros (Maurentöter) hoch zu Ross, mit einem Schwert bewehrt und mit souveräner Ausstrahlung, vorgestellt hatte, konnte ich mich dennoch wegen deren Kostspieligkeit nicht hierzu durchringen, zumal ich davon ausging, dass mit den Jahren auch die Erinnerung an diese Reise verblassen dürfte. Denn wie jede andere meiner Reisen wird und kann diese zwar einmalige, zweifelsfrei einzigartige und für mich grandiose Erlebnisreise nur ein weiterer Meilenstein in meinem charakterlichen Werdegang, auch wenn er ein wuchtiger sein mag, darstellen. Es gibt noch viel Unbekanntes in Gottes Schöpfung zu sehen, zu erleben und zu ergründen. Bleiben wir in unserer persönlichen Entwicklung nicht stehen!
    So versinnbildlichte für mich die in der Kathedrale aufgestellte Santiagoplastik, die ihn als einen himmlischen Krieger im Kampfe der Christen gegen die damaligen spanischen Muselmanen darstellt, nur das Eine, sich dem zu entledigen, was einem bedrückt. Oder vulgär ausgedrückt: Hau sie weg, die Scheiße, die Dich kaputt macht!
    Um auch den letzten der Pilgerriten vollbracht zu haben, begab ich mich zur prächtigen Mittelsäule des Haupteinganges, auf der der Heilige Jakobus sitzend dargestellt ist, legte meine Hände an die Säule zu Füßen des Apostels und berührte mit dem Kopf die darunter befindliche Figur des Kathedralenbaumeisters Mateo. Auffallend im Hauptschiff der in römischer Kreuzform konzipierten Kathedrale sind die zahlreichen Beichtstühle an den Wänden. An ihnen sind kleine
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