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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Autoren: Ulrich Gast
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e.V. vor Ausstellung meines bei ihr beantragten Pilgerausweises gebeten. Der Pilgerpass berechtigt nämlich zum Übernachten in den preisgünstigen jedoch spartanischen Pilgerherbergen, Sammelübernachtungsquartiere vergleichbar mit Jugendherbergen. Auch diente sein tägliches Abstempeln in den jeweiligen Herbergen später bei der Ausstellung der Compostela als Beweis dafür, dass man zumindest die letzten 100 km vor Santiago de Compostela ohne Unterbrechung gewandert war. Dieses Vereinsbegehren nahm ich zum Anlass, mich unabhängig von einander sowohl bei meiner hiesigen römisch-katholischen als auch evangelischen Kirchengemeinde um ein entsprechendes Empfehlungsschreiben zu bemühen, die mir auch zuteil wurden. Beide fügte ich meinem Urlaubsantrag bei, wodurch meinem Big Boss dessen Zustimmung zu dem von mir gewünschten, sehr langen Urlaub erleichtert wurde. Dass er sich über die beiden kirchengemeindlichen Empfehlungen nicht achtlos hinwegsetzen werde, ohne sich dabei als christenfeindlich zu fühlen, mutmaßte ich. Vor allem aber empfand ich die beiden Empfehlungen als ermutigend, mit stillschweigendem Pilgersegen meiner Heimat meine Pilgerreise antreten zu können.
     
    Schon zu Hause nahm ich mir vor, täglich spätestens jeweils am nächsten Morgen mir die Zeit zu nehmen und meine Erlebnisse und Erfahrungen an diesem Pilgertage in einem Reisetagebuch kurz niederzuschreiben, derweil die Flut von Erlebnissen aber auch deren Bewertungen sich Tage später möglicherweise in einem ganz anderen Lichte präsentieren und so eventuell das an jedem einzelnen Tage tatsächlich Empfundene und Erfahrene verfälschen könnte. Daher habe ich mich auch beim Reinschreiben meines handschriftlichen Reisetagebuches bemüht, meine damalige Wortwahl beizubehalten und lediglich grammatikalische und stilistische Fehler auszumerzen, um so vielleicht später einmal an mir selbst feststellen zu können, ob ich
    mich - wie häufig zu lesen ist - in meiner Wesensart durch mein in sieben Wochen auf dem Camino Erlebtes und Erfahrenes verändert habe.

    „Der Weg ist das Ziel“ lautet der uralte Slogan der Jakobspilger, den ich bereits vor Beginn meiner Jakobspilgerwanderschafit dahingehend ausgelegt hatte, dass man sich ja nicht auf den Weg begibt, um letztendlich nicht am Ziel anzukommen. So hatte ich all meinen Bekannten auf deren geäußerten Sorgen um einen glücklichen Ausgang meiner Fernwanderung hin reinen Herzens versprechen können, dass ich auf meine Gesundheit achten und meine Wanderschaft gegebenenfalls abbrechen werde. Keinesfalls sollte der Erfolg meiner Jakobspilgerschaft, an den ich trotz erheblichem Bedenken von vornherein glaubte, durch falschen Ehrgeiz vereitelt werden.
     
    In Anbetracht des Vorgenannten habe ich mir folgenden Pilgerspruch gewählt:
    „Contra frustram eurem!“
    („Wider ein erfolgloses Unterfangen!“)

     
    „Jetzt geht’s endlich los! Und wenn ih’ uff dä Knie rutschä müsst, ih’ werd’ zu Fuß mit meim geschulterten Gepäck an - und au’ wieder hoim kommä, so Gott will!“
     

Das Wagnis
     
    Augenblicklich sitze ich in Bayonne im Bahnhofscafe bei einem Kaffee mit meinem Gepäck wartend auf den Anschlusszug nach Saint-Jean-Pied de Port. Ich bin völlig durchnässt und beginne, meine Pilgerwanderung nach Santiago de Compostela wie folgt zu dokumentieren, wobei ich allerdings Kunst, Geschichte und Volksfrömmigkeit am Jakobsweg bei meinen Reiseschilderungen außen vor lassen möchte. Dieses überlasse ich lieber denjenigen, die sich besser damit auskennen als ich, zumal es hierüber umfangreiche Literatur gibt.

     

Dienstag, den 04.05.:
     
    Wie immer lasse ich die Packerei bis zu letzt anstehen; so auch für diese Reise. Noch nicht fertig gepackt, habe ich mich zum Schwaigerner Rathaus begeben, um, wie von der Deutschen Jakobusgesellschaft als ausstellende Stelle meines Pilgerpasses empfohlen, meinen ersten Carnes, den im Pilgerpass anzubringenden Tagesstempel, einzuholen. Als ich Frau Götz im Schwaigerner Einwohnermeldeamt meine Bitte vorgetragen hatte, wurde mir eröffnet, dass ich der erste mit einem derartigen Anliegen sei. Sogleich musste mein Pilgerpass auch den Kollegen und Kolleginnen im Rathaus gezeigt werden. Um 11.34 Uhr bestieg ich dann endlich an der Haltestelle Schwaigern Bahnhof die Stadtbahn.
    Tante Anni beschenkte mich mit einer Packung Duplo und bemerkte, ich solle auf meiner Reise nicht zu leutselig sein, was ich leider, wie ich noch schildern werde, viel zu
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