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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Autoren: Ulrich Gast
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und empfingen gemeinsam im Stehen den Pilgersegen. Zurück im Refugium wurschtelte ich noch einige Zeit herum und begab mich sodann ermattet jedoch mit einer inneren Ruhe zu Bette im Vertrauen darauf, Gottes Segen nicht nur für diesen sondern auch für die kommenden Tage empfangen zu haben.
     

PS. am 09.05:
    Zwei Begebenheiten an diesem Tage finde ich für meinen Tagesbericht erwähnenswert. Eine hiervon ist bedingt durch die Tatsache, dass ich nach einer gewissen Wegstrecke nach Saint-Jean-Pied de Port pinkeln musste und hierzu vor dem Regen zum Abladen meines Gepäcks Unterschlupf in einem heruntergekommenen Buswartehäuschen suchte. Nachdem ich mich erleichtert hatte, begab ich mich erneut auf den Weg. Als es galt, die Schweißtropfen von meiner Stirn zu wischen, und ich nach meinem hierfür zwischen Bauchrucksack und Körper hinein geschobenen, kleinen Handtüchle greifen wollte, musste ich feststellen, dass ich es beim Buswartehäuschen liegen gelassen hatte. Gewohnheitsmäßig machte ich spontan kehrt, um es mir wieder zu beschaffen. Als ich einige Schritte zurück gen Osten gelaufen war, überkam mich urplötzlich ein Gefühl, mich zurück in meine Vergangenheit zu begeben. Sollte ich dieses tun, nur um meinen Besitzstand durch Wiederinbesitznahme meines verlustigen Handtüchleins zu wahren. Mich überwältigte das Gefühl: Westwärts liegt meine Zukunft! Dieses Gefühl war so stark, dass ich mich erneut spontan umdrehte und meinen Weg nach Santiago de Compostela fortsetzte.
    Das zweite Erlebnis begab sich während meines Passaufstiegs. Durstig wie ich war, nur getrieben von dem Willen, Roncesvalles zu erreichen, hechelte ich die Passstraße hinauf. Vielleicht überbewertete ich dieses Ereignis. Jedoch kamen bei einem meiner schon oft beim Anstieg gemachten, mich selbst anfeuernden Hilferufe: Gott gebe mir Kraft, diese Pilgerschaft zu überstehen! schlagartig einige Sonnenstrahlen durch den Regenwolken verhangenen Himmel. Auch wurde mir plötzlich bewusst, dass das am Straßenrand herab schießende, klare Oberflächenwasser keine schlechtere Qualität als Quellwasser haben könne. So entledigte ich mich meiner Rucksäcke, beugte mich nieder und schöpfte mit meiner rechten Hand das labsalende Nass. Welch eine Fügung!
     

Samstag, den 08.05.:
     
    Punkt 6.00 Uhr ging wie angedroht das Licht im Refugium, dem Schlafsaal, an. Nach dem frühmorgendlichen Räkeln galt meine erste Sorge dem Wetter. Als ich die schwere Holztüre des Refugium öffnete und nach draußen sah, traf mich beinahe der Schlag. Eine ca. 5 cm hohe Schneematschdecke hatte sich über das Land ausgebreitet. Da ich gestern zu faul und zu schlapp aber insbesondere zu unterkühlt war, hatte ich die Besichtigung der Klosteranlage auf heute Vormittag terminiert. Wegen des nasskalten Wetters vertrödelte ich meine Zeit bis zum Frühstück, das man ab 8.00 Uhr im nahen Restaurant einnehmen konnte, im warmen Refugium. Hierbei kam ich mit einem niederländischen Betreuer dieses Refugium ins Gespräch, der mich davon in Kenntnis setzte, dass er dieses gegen freie Kost und Logis ehrenamtlich für eine niederländische Jakobsvereinigung täte, die sich gleichfalls der unentgeltlichen Pilgerbetreuung in diesem Kloster widmete, wobei der Bauunterhalt für das Refugium weiterhin bei der mir namentlich unbekannten Klostergemeinschaft verblieben wäre.
    Nachdem ich ausgiebig gefrühstückt, mir u.a. den auf seinem Sarkophagdeckel als mit lässig überschlagenen Beinen schlafend dargestellten König von Navarra, Sancho der Starke, sowie das angebliche Schachbrett unseres „Großen Karle“, dem ersten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, angeschaut hatte, begab ich mich um die Mittagszeit hinaus in das schmuddelig regnerische Tauwetter, um meinen Weg fortzusetzen. Als mir der Schweiß von meiner Stirn zu rinnen begann, musste ich unweigerlich an gestern denken. Hatte mich mein Luxuskörper gestern nicht nur den Ibañeta-Pass hinaufbewegen sondern auch noch meine Muskulatur funktionsfähig erhalten müssen, indem er gegen eine Unterkühlung ständig anzukämpfen hatte? ,Schweiß, was ist das?!’ hätte er auf eine entsprechende Anfrage geantwortet. Wie mein Körper dieses bewerkstelligt hatte, war für mich rätselhaft. Jedenfalls kam ich lange vor Einlassende in der Pilgerherberge Roncesvalles an.
    Wieder einmal dem Vergangenen gedanklich nachhängend latschte ich die wie gestern wenig befahrene Nationalstraße von Saint-Jean-Pied de Port
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