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Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit
Autoren: David Osborn
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lassen sollten, und umgekehrt. Sie käuten alte Geschichten wieder, wer wann welches Wild erlegt und wer in welcher Nacht den meisten Bourbon erledigt hatte. Purcell, Carter und Wolkowski waren echt neidisch. Kens, Gregs und Arts Jagdhütte war exklusiv. Jahrelang hatten sie freundlich, aber bestimmt jedwede und jedermanns Bitte abgeschlagen, sie begleiten zu dürfen.
    Nach Mitternacht waren schließlich alle Gäste gegangen. Mehr aus Tradition als aus einem besonderen Bedürfnis hatte Ken mit Helen geschlafen. Dabei wurde sie unerwartet erregt und wollte mehr und er musste ein zweites Mal ran. Danach hatte er wie ein Toter geschlafen.
    Jetzt regte sie sich neben ihm. Er fühlte die volle Länge ihres nackten Körpers. Sie schlief immer so, voll ausgestreckt. Eine ihrer Brüste, lag weich auf seinem Arm. Ich könnte ihre Beine auseinanderschieben und in ihr sein, bevor sie wach genug ist, um rauszufinden, dass sie zu müde dazu ist, dachte er, und wenn ich fertig bin, wird sie wach genug sein, um mehr zu wollen. So muss man eine Frau zurücklassen, damit sie die Tage zählt, bis du wieder zurück bist und zu Ende bringst, was du begonnen hast, als du wegfuhrst. Aber nach der letzten Nacht schien es ihm zu mühsam, und Helen war nicht die Gleiche, wenn sie schlief, nicht schnippisch und kokett, stattdessen bewegungslos, mit leicht geöffnetem Mund, saurem Atem und plumpen, schlaffen Brüsten.
    Leise stieg er aus dem Bett. Er machte die Badezimmertür hinter sich zu und drehte die Dusche auf. Nach und nach kehrte Leben in seinen Körper zurück. Er putzte sich die Zähne und vertrieb mit Mundspülung und Alka-Seltzer den Großteil des Bourbon-Geschmacks, bevor er sich leise anzog. Segeltuchhose, dickes Wollhemd, hochgeschnürte Jagdstiefel.
    Gestern Nacht hatte Helen gesagt, sie würde in der Küche Kaffee für ihn hinstellen. Lautlos verließ er das Schlafzimmer und durchquerte das Wohnzimmer, wo das erste graue Licht die Möbel gespenstisch aussehen ließ. Er stahl sich den Flur entlang, vorbei an dem Raum, in dem Petey schlief.
    Die Tür stand offen. Schlief er? Helen sagte, dass er fast nie die Augen schloss. Sie sagte, er läge einfach da, stundenlang, und starre in die Dunkelheit, wartend.
    Irgendwie unheimlich. Schön, aber hirnlos. Sechzehn Jahre, aber geistig höchstens zwei oder drei. Petey war Paul Wolkowskis Sohn, und Wolkowski war Witwer. Niemand wusste, wie seine Frau gestorben war. Er sprach nie von ihr. Er hatte für Petey eine Ganztags-Krankenschwester angestellt, keine ausgesprochene Schönheit, aber nicht so hässlich, dass die Leute nicht insgeheim hofften, er würde vielleicht doch gelegentlich mit ihr schlafen. Man konnte von einem Kraftpaket wie Wolkowski keine Enthaltsamkeit erwarten. Die Krankenschwester war derzeit nicht da. Jeden Herbst nahm sie sechs Wochen frei, um ihre kranke Mutter in Kalifornien zu besuchen, und wenn er in dieser Zeit dienstlich auswärts zu tun hatte, wie diese Woche, bat Wolkowski Freunde, sich um den Jungen zu kümmern.
    Meistens war es Helen. Weder Sue Anderson noch Pat Wallace wollten Petey bei sich im Haus haben. Sagten, er könne ihren eigenen Kindern schaden. Nun, vielleicht. Ken wollte das aber nicht recht glauben, denn wenn andere Kinder Petey auslachten und sich über ihn lustig machten, war dessen einzige Antwort ein sanftes Lächeln und hinter seinen blauen Augen in seinem engelhaften blonden Gesicht war nichts. Wem könnte so jemand etwas zuleide tun?
    Ken fand den Kaffee, wärmte ihn auf, trank ihn langsam und wünschte sich, er wäre wieder im Bett. Und er verfluchte sich, dass er Helen nicht genommen hatte, als sie vorhin so bereit dalag. Jetzt, fertig angezogen, hatte er auf einmal Lust. Doch als der Gedanke an die lange Fahrt, die noch bevorstand, in ihm aufblitzte, wurde seine Fantasie gedämpft. Er stellte seine Kaffeetasse in die Geschirrspülmaschine, schaltete das Licht aus und verließ die Küche.
    Der Boden des Flurs bestand aus handgehauenen Bohlen, die aus einer verlassenen Scheune in Illinois stammten. Das Sideboard, einige Stühle und eine Bank waren echt frühamerikanisch, mennonitisch. Helen sagte immer, dass sie eine gute Balance zum modernen Stil des Wohnzimmers darstellten. Da gab es auch einen Gewehrständer mit drei Schrotflinten und vier Kugelgewehren. Ken nahm einen 25-06 Repetierstutzen Modell Remington 700 herunter und lehnte ihn vorsichtig neben den schweren Rucksack, den er letzte Nacht vollgepackt hatte. Es war ein
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