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Jagdhunde (German Edition)

Jagdhunde (German Edition)

Titel: Jagdhunde (German Edition)
Autoren: Jørn Lier Horst
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oder Rechtsanwälte die Polizei zum Öffnen der Archivschränke bewegen konnten, aber nur selten oder fast nie führte das zu irgendwelchen Konsequenzen.
    Sigurd Henden war nicht der Typ Anwalt, der Briefe oder Anträge nur deswegen formulierte, um sich bei seinen Mandanten einzuschmeicheln. Er arbeitete auf hohem professionellem Niveau und musste in den alten Falldokumenten etwas gefunden haben, durch das er eine Wiederaufnahme des alten Mordverfahrens bewirken konnte. Wisting allerdings wusste nicht, was das sein könnte, und spürte eine gewisse Beunruhigung.
    Suzanne riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Hilfst du mir mal?«, fragte sie und öffnete den Geschirrspüler. Der heiße Dampf traf ihr Gesicht, sodass sie einen Schritt zurücktreten musste.
    Wisting erhob sich, lächelte ihr zu und trat hinter den Tresen, um die Gläser aus der Maschine zu räumen.
    Suzanne ging zur Tür, schloss ab und drehte das Geschlossen- Schild so herum, dass es nach außen zeigte. Dann machte sie sich daran, die Kerzen auszublasen.
    Wisting öffnete den Mund, um Suzanne von Cecilia Linde zu erzählen, wusste jedoch nicht, wo er beginnen sollte, und machte ihn wieder zu.
    5
    Der Regen prasselte auf die Frontscheibe, als Line die Tiefgarage verließ. Das Wasser lief in langen Streifen an den Fenstern hinab und verwischte die Welt außerhalb des Wagens.
    Während der ersten Kilometer auf der Autobahn dachte sie nur an ihren Vater und die Ungewissheit, mit der er derzeit leben musste. Sie fühlte sich hilflos, so, als hätte sie ihn verraten.
    Sie blickte auf den Beifahrersitz, sah den Zettel mit den Notizen des Nachrichtenchefs und spürte, wie sich andere Gedanken in ihrem Kopf zu formen begannen. Zwar hatte sie keine Möglichkeit zu verhindern, dass der Artikel über ihren Vater gedruckt wurde, konnte es aber vielleicht schaffen, ihn von der Titelseite zu verdrängen. Dabei kam es allerdings ganz darauf an, was sie aus der Sache machen könnte, zu der sie jetzt unterwegs war.
    Die ersten Stunden nach einem Mordfall waren sowohl für Journalisten als auch die Polizei besonders wichtig. Sie trat etwas fester aufs Gaspedal, zog ihr Handy hervor und wählte die Nummer des Fotografen, der schon vor Ort war. Sein Name war Erik Fjeld. Ein kleiner, rundlicher und rothaariger Typ mit einer dicken Brille. Schon zwei Mal hatte sie mit ihm zusammengearbeitet.
    »Was weißt du?«, fragte sie und kam gleich zur Sache.
    »Mittlerweile wurde ein größeres Gebiet abgesperrt«, erklärte er. »Aber als ich herkam, war hier fast niemand.«
    »Wissen wir, wer ermordet wurde?«
    »Nein, und ich glaube auch nicht, dass die Polizei es weiß.«
    Line schaute auf die Uhr. Die Deadline war um Viertel nach eins. Demnach hatte sie ungefähr drei Stunden. Sie hatte schon Titelseiten in kürzerer Zeit geliefert, aber es kam mehr auf den Fall als auf sie selbst an. Immer seltener erschienen Mordfälle auf den Titelseiten der Zeitungen. Das Interesse an derartigen Neuigkeiten sank, wenn die Onlinezeitungen schon über Fälle berichteten, während die Papierzeitungen noch im Druck waren. Da musste es schon etwas ganz Besonderes an einem Fall geben oder eine journalistische Perspektive, die von keiner anderen Zeitung so gebracht wurde.
    »Aber es ist ein Mann?«, fragte sie, während sie an den Scheibenwischern vorbei auf die regennasse Fahrbahn schaute, die im Scheinwerferlicht der Autos glänzte.
    »Ja, angeblich um die fünfzig.«
    Line verzog das Gesicht. Das klang wie ein Fall, aus dem nur schwer etwas zu machen war. Junge Frauen brachten fette Schlagzeilen. So war es einfach. Und die Chancen, dass es sich bei dem Toten um einen Prominenten handelte, standen auch nicht besser. Auf die Schnelle fielen Line nur zwei bekannte Personen ein, die aus Fredrikstad kamen. Roald Amundsen und der Filmregisseur Harald Zwart. Amundsen war fast schon hundert Jahre tot und Zwart hielt sich bestimmt nicht mal in Norwegen auf.
    »Hast du eine Adresse oder eine Autonummer?«, fragte sie weiter.
    »Sorry, nichts dergleichen.«
    »Sind schon viele von der Presse da?«, wollte sie wissen.
    »Nur die Lokalpresse. Demokraten und Fredriksstad Blad und dann noch ein Fotograf, der gewöhnlich für Scanpix arbeitet.«
    »Was hast du an Bildern?«
    »Ich bin frühzeitig hier gewesen«, erklärte der Fotograf. »War ganz dicht dran und konnte eine gute Serie machen. Der Tote wird zugedeckt. Sein Hund steht neben ihm und reckt den Hals. Tolle Beleuchtung mit Reflexionen von den Blaulichtern.
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