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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte
Autoren: Nyx Smith
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unmöglich stehlen läßt. Das liegt daran, daß an Geld nur schwer heranzukommen ist, daß Geld nur schwer zu stehlen ist - oder war, bis Bandit einen Weg gefunden hat.
    Natürlich könnte er sich immer an einen Schieber wenden und bei einem Shadowrun mitmachen, aber das wäre Zeitverschwendung und, was noch schlimmer ist, würde ihn zwingen, seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu richten. Im Moment zählt nur, daß er sich auf Leute einstimmt. Was das Geld betrifft, so reichen ihm seine Einnahmen mit dem Bettelteller und das, was Shell an Land zieht.
    »Du machst heute einen ziemlich abwesenden Eindruck.«
    »Ja?«
    Sie nickt, lächelt, setzt sich auf den anderen kleinen Stuhl und holt eine Brieftasche heraus. »Die habe ich heute auf der Plaza abgestaubt. Ist sie nicht Sahne?«
    »Ist sie das?«
    Um die Wahrheit zu sagen, sieht sie nicht nach viel aus. Es ist nur eine burgunderrote Brieftasche, wie sie Execs mit sich herumschleppen. Er kann keine Spur von Magie an ihr erkennen. Shell öffnet sie, um ihm das Innere zu zeigen. Die drei silbernen Kredstäbe darin könnten an einen Hehler für gestohlene Stäbe verkauft werden, aber das ist es auch schon. Shell zieht eine Karte aus einem Fach in der Brieftasche und lächelt. Es ist irgendein Konzernausweis. Unnützer Kram. Auf die Karte sind große schwarze Buchstaben gedruckt, die für irgendeinen Konzern stehen, von dem Bandit noch nie gehört hat. Außerdem ist das Hologramm einer Frau darauf.
    Bandit nimmt die Karte in die Hand und untersucht sie eingehend, dann durchsucht er jedes Fach und jede Falte in der Brieftasche. Er findet eine weitere, aufwendiger gestaltete Karte. Es ist genau die Art Karte, die ein Mann oder eine Frau der Elite auf einer Party weitergeben würde. Die Adresse auf der Karte ist eine Büroadresse. Aber man braucht nur auf das Ende der Karte zu drücken, und schon erscheint eine andere Adresse. Die Privatwohnung. Mit Matrixadresse und Telekomnummer.
    »Bandit?«
    Bandit starrt ungläubig auf die Karte.

5
     
    Die breiten Fenster auf der Rückseite von Amy Bermans Büro bieten einen Panoramablick auf die New Bronx Plaza einschließlich des Hafenviertels, der Wohnhäuser, der Springbrunnen und der immer noch nicht fertiggestellten Villiers Arcologie. In der Ferne erheben sich die schlanken Wolkenkratzer Manhattans.
    Der Morgen ist strahlend und ungewöhnlich sonnig. Das Grau des Himmels scheint fast eine bläuliche Färbung zu haben.
    An jedem anderen Tag wäre Amy vielleicht vor den Fenstern stehengeblieben, nur um den Anblick auf sich wirken zu lassen und ein paar Augenblicke ruhiger Besinnlichkeit zu genießen. Heute sieht sie nur ihr eigenes Spiegelbild in den Fensterscheiben. Heute trägt sie ihren elegantesten grauen Anzug aus imitiertem Gabardine und dazu passende Schuhe, ihre Uhr von Cartier und einen Onyxring. Ihr Make-up soll auf subtile Art und Weise ihre Augen und Wangen betonen und gleichzeitig ihren Mund verkleinern. Sie wollte wie schiere unternehmerische Kraft aussehen, derart stark unter Strom, daß man förmlich die Funken sprühen sieht, aber das tut sie nicht, und das ist ihre eigene Schuld.
    Sie hätte ihr Haar zurücknehmen und es so streng wie möglich aussehen lassen müssen. Was, zum Teufel, hat sie sich nur dabei gedacht? Nun, da ihr dichter Schopf brauner Locken ihr Gesicht einrahmt und sanft auf ihre Schultern fällt, sieht sie warm und struppig aus, offensichtlich und übermäßig feminin.
    Wahrscheinlich wird man sie mit jemandes Privatsekretärin verwechseln.
    Sie schließt die Augen und schüttelt den Kopf, dann schlägt sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
     
    Einer Frau in ihrer Position dürfen solche Fehler einfach nicht unterlaufen. Es ist unglaublich.
    Aber in Wahrheit liegt es an der heutigen Besprechung. Sie hat in der Nacht kaum geschlafen, sondern nur daran gedacht. Was, zur Hölle, will jemand wie Enoshi Ken überhaupt hier? Es kann nur Ärger bedeuten. Angeblich hat dieser Mann einen direkten Draht zum Vorstand in Tokio, und Tokio bedeutet immer Ärger. Leute wie Enoshi Ken reden von nichts anderem als davon, nur das Wohl aller im Auge zu haben, aber was sie sagen und was sie meinen... Was sie wirklich meinen... Wenn man das je sagen kann... Wenn man es je wirklich herausfindet... Wenn es bis dahin nicht längst zu spät ist...
    Ihr Telekom summt.
    Es ist Laurena, ihre leitende Assistentin. »Oben sind sie soweit«, sagt sie.
    »In Ordnung«, erwidert Amy. »Schnappen Sie sich Ihr
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