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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern
Autoren: Leon Garfield
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Wärme und gute Laune aus-
    strahlen können, und so ist alles an ihr: ihre flinken Bewegungen, ihr plötzliches Lächeln, ihr Lachen und ihr elegantes ländliches Tanzen, das sie mit einer ganz herrlichen Mischung von Komödie und Grazie zustande bringt.
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    Kurz gesagt, sie ist so viel besser, als ich mir je hätte vorstellen können. Sie ist in keiner Weise abgeschmackt oder rührselig. Ja, sie weinte vor Freude, als ich mich umdrehte und entdeckte, daß sie neben mir kniete, ihre Tränen flossen nicht mehr als die meinen, aber zusammen machten sie keinen solchen Schwall wie die der
    Lady Hodge, die bei weitem zu leicht gerührt war.
    Die Wirkung von all diesem Salzwasser war unge-
    mein ansteckend, denn Sir Bertram versuchte verge-
    bens ein Taschentuch zu borgen, um ein »Staubkorn
    aus seinem Auge« zu entfernen, aber alle diese Artikel waren in dem Augenblick in voller Benutzung,
    selbst Mister Trumpets.
    »Wißt ihr«, rief Lord Sheringham aus, »wir haben
    in diesem Zimmer genügend Salzflut, um eine neue
    Charming Molly flottzumachen.«
    Wir blieben zum Abendessen, wir übernachteten
    da, und weil der nächste Tag das Weihnachtsfest
    war, blieben wir auch noch diesen Tag und genossen, was Sir Bertram als »Weihnachten auf dem Lande«
    bezeichnete.
    Das fing tatsächlich mit unserem Abendessen an,
    obwohl wir nur zu sechst am Tisch waren. Ein weite-
    rer schwerer Schneefall hatte ein paar Nachbarn aufgehalten, die eigentlich kommen sollten, deshalb freute sich Sir Bertram über unsere Gesellschaft.
    »Sie sehen also, Mrs. Holborn, wir werden Sie ver-
    lieren«, sagte Lady Hodges noch einmal.
    »Aber sicher ließe sich eine Lösung finden, gnädige Frau. Oder bestehen Sie darauf, daß ich gehe?«
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    »O nein, meine Liebe – Sie zäumen den Gaul falsch
    herum auf. Nicht wahr, Sir Bertram?«
    »Aha, Mrs. Holborn, wir würden Sie ungern ver-
    lieren, aber dieser Junge von Ihnen – mein Gott! – ist eine ganze Goldgrube wert. Und alles in diesem
    schmutzigen Leinenbeutel.«
    »Sie scherzen, Sir Bertram. Das ist nicht möglich.«
    »Ich scherze nie in Geldangelegenheiten, Mrs. Hol-
    born. Fragen Sie den Jungen selbst.«
    »Jack«, sagte sie, ihre Hand auf meiner, »was hast
    du in diesem Beutel?«
    »Eine halbe Million Pfund – plus-minus ein paar
    Schilling – in Diamanten, Rubinen, Smaragden und
    anderen Stücken.«
    »Jack! Sei ernst. Was hast du da versteckt?«
    Sie wollte mir’s nicht glauben, bis ich’s ihr zeigte, dort, auf einem Haufen, auf dem Tisch. Sie war erstaunt. Sie konnte kaum ihren riesigen Augen glau-
    ben. Sie stand auf, setzte sich, warf ein Glas Wein um, entschuldigte sich – alles in einem Traum.
    »Aber das ist zu wundersam. Wo kommt das her?
    O Jack, wo hast du das her? Wessen war – ist es? Du mußt es zurückgeben.«
    »Aber es ist meins! Unsers – deins!«
    »Das stimmt, Mrs. Holborn«, warf Mister Trum-
    pet ein. »Es gehört Jack bis zum letzten Penny.«
    »So ist es, Madame«, bestätigte Lord Sheringham.
    »Es war ein Geschenk, vielmehr ein Vermächtnis
    von einem – einem seltsamen kleinen Mann, der nun
    tot ist. Ich versichere Ihnen, Madame, daß Jack es
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    ehrlich erworben hat, und in höchst ehrenwerter
    Weise.«
    »Siehst du«, rief ich, »wenn Lord Sheringham
    selbst es sagt, kannst du daran nicht zweifeln. Wir sind reich, ungeheuer reich.«
    »Sie sehen also, Mrs. Holborn«, sagte Lady Hod-
    ges spitz, »was Sie von sich getan haben, ist Ihnen nun tausendfältig wiedergegeben worden.
    Denn er muß wissen, er muß erfahren, oder er
    wird von Ihnen stets das Schlimmste befürchten, trotz Ihres angenehmen Äußeren und Ihrer eleganten
    Kochkünste: er muß alles verstehen, was Sie in den
    langen Jahren unternommen haben mit der Einwilli-
    gung von Sir Bertram und mir.
    Daß Sie ihn nie vergessen haben, niemals! Und daß
    Sie in Ihrem ersten Jahr bei uns dauernd geweint und Sir Bertram gebeten haben, jeden Penny Ihrer Löhnung an den Küster von St. Bride zu bezahlen, in dem schönen Glauben, daß dieser skrupellose Mann Ihr
    Kind ausfindig machen und es unterstützen würde.
    Und Sie selbst behielten nichts davon.
    O ja, meine Liebe! Das muß alles gesagt werden.
    Alle Ihre Tränen und Klagen und Gebete, die Sir
    Bertram und mich wachhielten, so daß wir Sie nur
    aus Achtung vor der Religion nicht angeschrien ha-
    ben. Sie sollten ruhig sein. Und dann Ihre beiden
    überstürzten Reisen nach London – mit Sir Bertrams
    Einwilligung, um zu sehen, ob das Kind
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