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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern
Autoren: Leon Garfield
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Stunden zu warten und hatten, als wir fuhren, das angenehme Gefühl, die ersten in einem
    neuen Land zu sein. Wir hinterließen Spuren, wo
    vorher keine gewesen waren.
    Dann hörte es zu schneien auf, und die Sonne kam
    hervor, als wir leise einige Minuten nach zwölf in
    Patcham einfuhren: der Schnee dämpfte das Geräusch
    bei unserer Einfahrt und ließ sie etwas geheimnisvoll erscheinen. Wir überraschten ihn.
    »Ich hätte euch nicht vor Abend erwartet«, rief
    Mister Trumpet. »Ihr müßt gleich aufgebrochen sein, als ihr meinen Brief erhieltet.«
    »Noch zur gleichen Stunde, noch zur gleichen
    Stunde.«
    Er war lebhafter, als ich ihn gekannt hatte, und
    brannte darauf, seine Neuigkeiten loszuwerden. Aber die Höflichkeit gebot ihm, sich zu zügeln und alles anzuhören, was wir ihm zu erzählen hatten. Er trug
    es mit Freundlichkeit, und wir kamen ihm entgegen,
    indem wir uns kurz faßten.
    Die Ereignisse, die wir zu berichten hatten, waren
    traurig genug und gar nicht im Einklang mit dem be-
    haglichen Zimmer und dem prasselnden Feuer, um
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    das wir saßen. Darum machten wir Schluß und tran-
    ken auf unsere Gesundheit einen heißen Punsch,
    worauf wir uns zu einem Mittagsmahl mit hervorra-
    gender Schweinspastete niedersetzten.
    »Nun!« sagte Lord Sheringham. »Deine Neuigkei-
    ten. Dieser Junge hier siedet seit gestern schon vor Aufregung.«
    Der gute Mister Trumpet lachte und schwenkte
    seine Gabel. »Wollt ihr nicht den Nachtisch abwar-
    ten? Oder zumindest die Süßspeise?«
    »Nein. Wir warten keinen Augenblick mehr. Wenn
    du uns noch länger in Spannung hältst, werden Jack
    und ich auf der Stelle abreisen.«
    Worauf dann etwas reuevoll Mister Trumpet mit
    der folgenden Mitteilung kapitulierte: »Meine Neu-
    igkeit ist, daß Jack keine Waise ist.«
    »Wie? Was? Unmöglich! Ich kann’s nicht glau-
    ben.«
    »Es stimmt. Ich schwöre es.«
    »Aber das ist erstaunlich. Das ist verblüffend, es ist unerhört … Wunderbar – wunderbar! Eine höchst
    phantastische Angelegenheit. Was meinst du, Jack?
    Mister Trumpet hat deine Mutter gefunden. Ich weiß
    nicht, was ich dir sagen soll, Trumpet – da hast du was Großartiges getan. Wie, Jack?«
    Aber ich hatte zu dieser Zeit keine Worte, die ich
    meinen Freunden sagen konnte. Ich glaube nicht, daß sie welche erwarteten. Statt dessen zeigte ich meine Dankbarkeit, indem ich die Schweinspastete so
    schnell wie möglich verzehrte. Dann, als ich mich et-274
    was gefaßt hatte, fragte ich ihn, wo sie sei. Er antwortete, sie befinde sich kaum zwei Meilen von hier.
    Er sei schon heute morgen draußen gewesen, um das
    Haus zu sehen.
    Ich fragte ihn, ob er sie gesprochen hätte. Er sagte nein, er hätte die Absicht gehabt, mir dieses Vorrecht einzuräumen. Dann fragte ihn Lord Sheringham, wie
    es ihm gelungen sei: wie er bei so wenig Anhalts-
    punkten einen so bemerkenswerten Erfolg erringen
    konnte?
    Worauf er so vollständig und verständlich antwor-
    tete, wie er nur konnte, unterbrochen bei jeder Wendung von Fragen und Gegenfragen, Bitten um mehr
    Einzelheiten, oder um weniger, bis er beinahe soweit war, sich dafür zu entschuldigen, wie er von seiner genialen Leistung sprach.
    Als er es bis zum Plumpudding gebracht hatte, gab
    er auf und wollte nicht weiterreden, bevor er nicht von uns beiden nacheinander die feste Versicherung
    erhalten hatte, daß wir ihn nicht mehr unterbrechen würden. War es denn wirklich zuviel verlangt, wenn
    er das Vergnügen haben wollte, die Geschichte zu er-zählen, wo ich doch bald die Freude haben würde,
    ihren Lohn einzuheimsen? Wir gaben ihm unsere
    Versicherung, und er war imstande, seine Erzählung
    zu beenden.
    »Ich gab also eine Anzeige auf.«
    Er wartete, bis das gewirkt hatte. »Ich gab eine
    Anzeige in der Nachbarschaft von St. Bride auf.«
    »So ganz einfach?«
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    »Es wäre nicht so einfach erschienen, wenn ich
    mich nicht erklärt hätte: Ich formulierte die Anzeige in eleganten und ausgesuchten Wendungen, die geschickt darauf angelegt waren, eher Gefühle anzusprechen als Habgier. Ich gab bekannt, daß das männliche Kind
    (das bist du, Jack, alter Freund!), das an einem Juni-abend vor vierzehn Jahren der Obhut der Kirche aus-
    gesetzt wurde, noch am Leben und in guten Verhält-
    nissen sei, aber seine Mutter schmerzlich vermisse.
    Wenn sie – oder jemand, der sie kannte – bei Mister S. Trumpet Esq. vorsprechen wolle, so ließe sich eine Menge erfahren, was zum beiderseitigen Vorteil ge-reichte.«
    »Und sie
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