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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern
Autoren: Leon Garfield
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kam?«
    »Es kamen nahezu vierzig. In diesem Juni muß es
    am Eingang von St. Bride ein mächtiges Gedränge ge-
    geben haben. Nun haben von den eifrigen Vierzig
    vielleicht fünfundzwanzig nur den Teil meiner Anzei-ge gelesen, der die ›guten Verhältnisse‹ betraf. Selbst S. Trumpet war das klar. Von den anderen lasen vielleicht vierzehn nur den Teil, der behauptete, es ›vermisse seine Mutter schmerzlich‹. Hätte sich nichts
    anderes geboten, ich hätte mich für eine von ihnen
    entschieden: die eine oder andere feine Dame, die
    niemand schaden würde, wenn sie seine Mutter wür-
    de.«
    »Aber –«
    »Aber es bot sich etwas anderes. Die vierzigste. Ei-ne kam, die die ganze Anzeige gelesen und verdaut
    hatte: so sehr, daß sie mir einen Fehler berichtigte, 276
    den ich gemacht hatte. Juli , sagte sie; eine junge Witwe aus ihrer Bekanntschaft sei durch Armut und Ver-
    zweiflung gezwungen worden, im Juli dieses Jahr den traurigen Entschluß zu fassen. War ich sicher, daß es Juni war? Denn sie war sicher, es war Juli.
    Wo diese Witwe sich jetzt aufhielte? fragte ich und erwartete zu hören, daß sie tot sei. Aber nichts dergleichen! Die gute Frau gab mir alle Auskunft, die ich brauchte, und inzwischen habe ich mich vergewissert, daß sie die Wahrheit sprach.
    Also Jack, alter Freund, dein Geheimnis ruht jetzt
    bei mir. Willst du mir versprechen, mich dafür dreimal zu retten?«
    »Trumpet!«
    »Mister Trumpet«, sagte ich feierlich, ließ meinen
    Pudding stehen und erhob mich, wie es der Anlaß zu
    erfordern schien, »Mister Trumpet, das verspreche
    ich gern, ganz gleich, ob Sie mein Geheimnis haben
    oder nicht.«
    »Danke, alter Freund. Jetzt fühle ich mich belohnt.
    Sie wohnt in einer Villa, zwei Meilen südlich von
    hier: im Dorf Preston. Sie heißt – jetzt mußt du dich auf eine große Überraschung gefaßt machen, etwas
    wahrhaft Erstaunliches – das Erstaunlichste von al-
    lem – sie heißt Mrs. Holborn!
    Du siehst also, Jack, gleich von Anfang an bist du
    du selbst gewesen, ohne es zu wissen.«
    Ich setzte mich. Ich dankte ihm. Ich dankte Lord
    Sheringham, dann dankte ich wieder Mister Trum-
    pet. Dann brachten wir drei weitere Gesundheiten
    277
    aus mit heißem Punsch, und ich wiederholte mein
    Angebot, Mister Trumpets Leben so oft zu retten,
    wie er es in meiner Gegenwart gefährden wollte. So-
    oft er es wollte, versicherte ich ihm.
    Als ich fertig war, erzählte er mir, was er sonst
    noch von der geheimnisvollen Dame wußte. Ihr
    Mann, mein Vater, war vor meiner Geburt im Krieg
    gefallen und hinterließ ihr, die noch verzweifelt jung war, eine Bürde, die sie fast den Verstand kostete.
    Daher befahl sie mich kurz nach meiner Geburt dem
    lieben Gott in der Gestalt der Kirche St. Bride an.
    Er warnte mich, nicht allzuviel zu erwarten. Sie
    lebte nicht in guten Verhältnissen. Sie wohnte in der Villa als Hausdame: nicht mehr. Der Baron und seine Frau, denen der Besitz gehörte, galten als sehr stolz; sie standen in dem Ruf, daß sie einen Dienstboten
    nicht länger behielten als einen Monat, wenn er oder sie nicht absolut vollkommen war. Mrs. Holborn war
    nun seit fast vierzehn Jahren in ihren Diensten. Weshalb sich Mister Trumpet eine gute Meinung von ihr
    gebildet hatte.
    Jetzt folgte eine lebhafte Diskussion, ob es schicklich sei, schon an diesem Nachmittag auf dem Her-
    rensitz vorzusprechen. Dagegen sprach sich Mister
    Trumpet, der sich sehr feine Manieren angewöhnt
    hatte, mit größter Entschiedenheit aus. Auf alle Fälle unsere Empfehlungen schicken und die Erlaubnis erbitten, morgen unsere Aufwartung machen zu dürfen;
    da es der Weihnachtstag sei, könne man sicher sein, Sir Bertram und Lady Hodge in freundlicher Stim-278
    mung anzutreffen. Es habe keinen Sinn, sie durch
    scheinbare Unhöflichkeit gegen sich einzunehmen. Ob-zwar Lord Sheringham vielleicht durch seinen guten
    Namen empfohlen sei, hätten Mister Trumpet und
    Master Holborn nichts als ihre guten Manieren.
    Aber Lord Sheringham und ich entschieden den
    Tag für sich, und Mister Trumpet sah sich gezwun-
    gen nachzugeben, obschon er sich beklagte, daß er es gegen seine bessere Einsicht tue. Es wurde abge-macht, daß wir gleich abfahren sollten, nachdem wir uns geputzt hätten, so daß alles bei diesem wahrhaft wundervollen Ereignis im vornehmsten Licht erschiene.
    In der Kutsche waren meine Gedanken natürlich
    ganz von dem erfüllt, was mir die nächste Zukunft
    bescheren würde. Ich muß zugeben, daß ich mich
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