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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2
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allen Gliedern zitternd: »O weh, mein lieber Herr, wer klopft da an unsere Tür? Sicher ist es mein Mann! O ich Arme, wie machen wir es, daß er Euch hier nicht trifft und Ihr nicht von ihm gesehen werdet?«
    Da sagte Magister Tiberio: »Gebt mir schnell meine Gewänder, daß ich mich anziehe: dann werde ich mich unterm Bett verstecken.«
    »Nein«, sagte die Frau, »sucht nicht erst die Kleider, das dauert zu lange, sondern steigt auf diesen Schrank da in der rechten Ecke des Zimmers: ich helfe Euch hinaufsteigen, und stellt Euch dort mit geöffneten Armen auf, damit mein Mann, wenn er ins Zimmer kommt und Euch in Kreuzform stehen sieht, meint, Ihr seid eines von den Kruzifixen, an denen er bei Tag arbeitet, und er wird weiter nichts denken.«
    Indem pochte der Gatte heftig an das Tor. Magister Tiberio, der weiter nichts durchschaute und nicht an eine böse List des Gatten dachte, stieg auf den Schrank und stellte sich in der Form eines Kreuzes mit ausgebreiteten Armen auf, ohne sich zu rühren. Savia ging hinunter und öffnete dem Gatten das Tor, der sich erzürnt stellte, weil sie ihm nicht schnell genug geöffnet hatte. Er kam in das Zimmer, tat so, als ob er Magister Tiberio nicht sähe, setzte sich mit seiner Frau zum Abendessen, und als sie gespeist hatten, gingen sie beide zu Bett. Wie unangenehm dies für Magister Tiberio war, lasse ich euch, die ihr heftige Liebesqualen erduldet, beurteilen: Er mußte mit anhören, wie der Gatte die Speise genoß, nach der er sich so glühend verzehrte, und obendrein hatte er noch den Schaden und den Spott.
    Schon begann sich die Morgenröte zu zeigen, und nach und nach sah man Apoll mit seinen brennenden Strahlen aus den Wogen des Meeres sich erheben, als sich Meister Chechino vom Lager erhob, sein Werkzeug herrichtete und zu arbeiten beginnen wollte. Doch kaum hatte er angefangen, als zwei Nonnen aus einem in der Nähe liegendem Kloster kamen und sagten: »Meister, unsere Mutter Äbtissin hat uns hergeschickt und bittet Euch, daß Ihr uns das Kruzifix gebt, das sie schon lange bei Euch bestellte.«
    Da antwortete Meister Chechino: »Liebe Schwestern, sagt der Mutter Äbtissin, daß das Kruzifix angefangen, aber noch nicht vollendet ist; aber binnen zwei Tagen längstens wird sie es erhalten.«
    Darauf sagten die Nonnen: »Lieber Meister, nehmt es nicht übel, unsere Mutter hat uns ausdrücklich befohlen, daß wir es ihr bringen, fertig oder unfertig, denn Ihr habt sie schon zu lange hingehalten!«
    Meister Chechino tat, als ob ihn der lästige Vorwurf der Nonnen erregte, und rief, als ob er erzürnt wäre: »Liebe Frauen, kommt herein in dieses Gemach, damit ihr ihn sehen könnt – angefangen, aber nicht fertig!«
    Die Nonnen gingen in das Zimmer, und Meister Chechino sagte: »Erhebt eure Blicke hinauf zu jenem Schrank und schaut ihn an und überzeugt euch selbst, ob er ziemlich weit gediehen ist und daß wenig fehlt, um ihn fertig zu machen, und berichtet der Mutter Äbtissin, daß ihr ihn mit eignen Äugen gesehen habt.«
    Die Nonnen sahen hinauf, sahen den Kruzifixus und sagten mit größter Bewunderung: »O Meister, wie habt ihr ihn der Natur ähnlich gemacht! Er scheint wirklich lebendig und aus Fleisch zu sein wie wir! Sicher ist er sehr schön und wird der Mutter und den Schwestern wohl gefallen. Aber eine einzige Sache«, sagten die Nonnen, »mißfällt uns sehr daran, an die Ihr nicht gedacht habt, daß man nicht so unbedeckt diesen Unrat sehe, den er vorn hat, denn daraus könnte dem ganzen Kloster ein kleiner Skandal erwachsen.«
    Da sagte Meister Chechino: »Sagte ich euch nicht, daß er nicht ganz fertig wäre? Aber nehmt daran keinen Anstoß! Gäbe es doch ein Mittel, den Tod zu beseitigen, so wie ich dies hier beseitigen kann, und gleich in eurer Gegenwart werde ich dem abhelfen.«
    Und er nahm eines seiner Eisen zur Hand, schliff es und sagte zu den Nonnen: »Tretet näher und paßt gut auf, wie ich ihm alles entferne, ohne etwas zu verunstalten!«
    Magister Tiberio, der bis dahin so still stand, daß er fast tot zu sein schien, hörte die Rede und sah Meister Chechino mit dem frischgeschliffnen Messer in der Hand; ohne weiter Zeit oder Worte zu verlieren, warf er sich vom Schrank herunter und begab sich so nackt, wie er war, auf die Flucht, hinter ihm her Meister Chechino mit dem Messer in der Hand, um den Unrat zu entfernen, den er vorn hatte. Savia, die fürchtete, es möchte sich etwas Schlimmes ereignen, faßte den Gatten bei den Kleidern und hielt
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