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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2
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aber, der dem behenden Laufe des Hirsches folgte, entfernte sich immer weiter und weiter von den Seinen. Er mochte schon eine gute Strecke zurückgelegt haben, als es ihm nach einer Weile deuchte, sein Roß verliere den Atem und der Hirsch entfliehe dagegen immer schneller, weshalb er sehr unwillig wurde. Der Hirsch kam ihm aus dem Gesichte, und weil er keinen der Seinigen mehr um sich sah, setzte er sein Hifthorn an den Mund und fing an, stark dareinzublasen, um den Seinigen ein Zeichen zu geben, wo er sei. Die Entfernung zwischen ihm und den Jägern war jedoch so groß, daß er von ihnen nicht mehr gehört werden konnte. Als er nun von keiner Seite eine Antwort vernahm, fing er an, Schritt für Schritt zurückzureiten, verfehlte aber den Weg, da er dieser Gegend des Waldes unkundig war.
    Indem er nun nach Hause zu kommen meinte, näherte er sich dem Schlosse der blonden Ginevra, die mit ihrer Mutter und ihren Lehensleuten an diesem Tage auf die Hasenjagd ausgezogen war und auf den Ritter zukam. Als dieser das Jagdgeschrei des Gefolges der blonden Ginevra hörte, nahm er seinen Weg darauf zu; je näher er kam, desto deutlicher war der Lärm; doch wollte es ihm scheinen, als wären es nicht die Seinigen, und so wußte er nicht, was er tun sollte. Der Abend dämmerte schon herein, die sinkende Sonne warf längere Schatten, und wie Don Diego erkannte, daß sein Pferd sich kaum noch aufrechtzuerhalten imstande war, eilte er, um nicht die Nacht allein unter freiem Himmel zubringen zu müssen, so gut er konnte, dem Lärme nach. Noch ein Stück Wegs vorwärtsgekommen, erblickte er mit einem Male in der Entfernung einer kleinen halben Stunde ein sehr schönes Schloß vor sich; in seiner Nähe aber bemerkte er eine Schar Männer und Frauen, die in demselben Augenblicke einen Hasen getötet hatten. Als die Dame, die Don Diego für die Herrin des Schlosses hielt, des Ritters ansichtig wurde und an seiner Kleidung und an seinem Pferde seinen vornehmen Stand erkannte und bemerkte, daß der Ritter, von Müdigkeit überwältigt, nicht mehr weiter konnte, schickte sie einen ihrer Leute an ihn ab, um zu erforschen, wer es sei. Als sie es erfahren hatte, ging sie ihm entgegen, empfing ihn sehr höflich und bezeugte ihre Freude darüber, ihn zu sehen, sowohl wegen des guten Rufs, den sie von ihm und seiner Tapferkeit vernommen, als auch aus Rücksicht auf seine Mutter, mit der sie wegen der nachbarlichen Verhältnisse gute Freundschaft hielt. Da es schon Abend war, lud man Don Diego ein, die Nacht auf der Burg zuzubringen, und schickte alsbald jemand an seine Mutter ab, damit diese, wenn sie ihn heute nacht nicht nach Hause kommen sehe, sich nicht beunruhige. Don Diego küßte Mutter und Tochter die Hand, dankte ihnen sehr für ihre Höflichkeit und nahm ihre Einladung an. Darauf machten sie sich miteinander auf den Weg nach dem Schlosse der Frauen, nachdem man Don Diego ein frisches Pferd gegeben hatte; den spanischen Renner, der ganz außer Atem war, ließ er ruhig nebenher gehen. Unterwegs führten sie verschiedene Gespräche, und als Don Diego, ein sehr schöner, reizender Jüngling, dabei einmal die Augen aufschlug, begegnete er den Blicken der blonden Ginevra, die fest auf ihm ruhten. Dieser wechselseitige Blick war so gewaltig und zündend, daß Don Diego zu ihr und sie zu ihm in heftiger Liebe entbrannten und einander sich zu eigen gaben.
    Der glühende Liebhaber betrachtete nunmehr die schöne Jungfrau, die zwischen sechzehn und siebzehn Jahre alt sein konnte und gewandt einen mit Samt bedeckten Zelter ritt. Sie trug auf ihrem Haupte einen zierlichen Hut mit Federbusch, wodurch ein Teil ihrer Haare bedeckt ward; die übrigen wallten zu beiden Seiten des Gesichts in krausen Locken herab und schienen dem Beschauer zu sagen: Hier hat Amor mit den drei Grazien seinen Sitz aufgeschlagen, und sonst nirgends. In ihren Ohren hingen zwei der feinsten Juwelen, in deren jedem man eine kostbare morgenländische Perle beobachtete. Darunter entdeckte man eine breite, hohe Stirn in den richtigsten Verhältnissen, auf deren Mitte ein sehr feiner, in Gold gefaßter Diamant funkelte, gerade wie man oft am heitern Himmel holde Sterne strahlen sieht. Die wie Ebenholz schwarzen strahlenden Augenbrauen, umspannt von den kleinsten kurzen Haaren, dehnten sich in angemessener Entfernung über den beiden schönen Augen aus, deren Anblick jeden Beschauer so sehr entzündete, daß er sich ganz in loderndem Feuer stehen fühlte, und den, der sie fest
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