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Ismaels fliegende Wale

Ismaels fliegende Wale

Titel: Ismaels fliegende Wale
Autoren: Philip Jose Farmer
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Bevor sie den Horizont berühren würde, so dachte er, mochte sich das Schicksal dieser ganzen Welt erfüllen.
    Die Luft wurde heißer. Als er vom Wasser aus auf den Sargdeckel geklettert war, hatte er den Eindruck gehabt, sie sei ein wenig zu kühl, um angenehm zu sein. Nach seinem Erwachen machte sich das gegenteilige Gefühl in ihm breit.
    Jetzt schwitzte er, und seine Kehle und seine Lippen waren trocken. Die Luft schien überhaupt keine Feuchtigkeit zu enthalten. Und das Ufer war immer noch so weit entfernt, daß er es nicht sehen konnte. Er konnte sich entweder treiben lassen oder der natürlichen Strömung mit den Händen nachhelfen. Ismael begann zu paddeln, aber da ihn dies lediglich noch mehr erhitzte, lag er nach einer Weile nur noch da und keuchte. Er lag – das Kinn über den Kistenrand gestreckt – auf dem Bauch und wandte sich um. Erneut zog am Himmel eine mächtige rote Wolke dahin, die von einem Rudel der Atmosphären-Leviathans verfolgt wurde.
    Wieder begann er zu paddeln. Nach fünfzehn Minuten sah er Land voraus, und dies fachte seine Kraft neu an. Aber Stunden vergingen, während die Sonne keine Anstalten machte, vom Tageshimmel zu verschwinden. Ismael schlief wieder ein, und als er das nächste Mal erwachte, sah er westlich von sich eine Küste mit Vegetation. Seine Lungen schienen inzwischen allerdings zu Staub und seine Zunge schien zu Stein geworden zu sein.
    Ungeachtet seiner Schwäche paddelte er weiter. Wenn er nicht bald ans Ufer gelangte, würde er statt in der Kiste – in die er eigentlich gehörte – auf ihr sterben.
    Die Uferlinie jedoch war so fern wie zuvor. Jedenfalls erschien es ihm so. Abgesehen von den Geschöpfen des Windes schien auf dieser Welt alles in einer schmerzhaften und wahnsinnig machenden Langsamkeit dahinzukriechen. Die Zeit selbst schien, wie er einmal an Bord der Pequod gedacht hatte, den Atem mit erwartungsvoller Spannung anzuhalten.
    Aber selbst diese Welt mit ihrer gigantischen roten Sonne konnte die Zeit nicht für ewig anhalten. Die letzte Meereswoge schwemmte das vordere Ende des Sarges schließlich an das Ufer.
    Ismael erhob sich auf die Knie und glitt bis zum Unterleib in das träge Wasser hinein. Zusammen mit dem Meeresboden fühlte er sich plötzlich angehoben, und als er an Land taumelte und den Lebensrettungssarg aus dem Wasser zog, um ihn am Strand in Sicherheit zu bringen, spürte er, wie der Boden unter ihm zitterte.
    Das Wackeln machte ihn krank.
    Er schloß die Augen, packte ein Ende des Sarges und zog ihn in den Dschungel.



Eine Weile später, nachdem ihm klargeworden war, daß die Erde nicht daran dachte, das Zittern, Aufblähen und Abnehmen einzustellen, öffnete er die Augen.
    Es dauerte lange Zeit, ehe er sich damit abfand, daß die Erde sich aufführte wie eine Schüssel voll Pudding, in der schwächliche Pflanzen wuchsen.
    Überall auf dem Boden und in der Luft befanden sich Kletterpflanzen in den unterschiedlichsten Größen; manche erreichten die Stärke seines Handgelenks, andere waren dick genug, daß er sich, wären sie hohl gewesen, in sie hätte hineinstellen können. Auf ihrer Oberfläche wuchsen harte, faserige, dunkelbraune, blaßrote oder hellgelbe Stengel, die manchmal eine Höhe von zwanzig Fuß erreichten. Einige davon waren nackt, aber aus den Seiten der anderen wuchsen gerade Zweige und Blätter, die groß genug waren, um als Hängematten zu dienen. Damit sie nicht absackten, ragten aus ihren freien Enden Schlingpflanzen, die sich um die Nachbarstengel legten und schließlich völlig um sie herumwuchsen. Es sah tatsächlich so aus, als sei jede einzelne Pflanze auf ihre Nachbarn als Stütze angewiesen.
    Es gab ebenso eine Anzahl haariger, dunkelroter, blaßgrüner und austernweißer Kokons, die von der Größe einer Faust bis zu der eines Kopfes reichten.
    Obwohl Ismael den Dschungel durchquerte, bevor er zur See zurückkehrte, fand er kein Wasser. Der Boden, auf dem die Kletterpflanzen wuchsen, war so hart und trocken wie der Sand in der Wüste Sahara.
    Er studierte die Pflanzen und fragte sich, woher sie ihre Flüssigkeit bezogen, denn sie besaßen keine in die Erde führenden Wurzeln. Nach einer Weile wurde ihm klar, daß die nackten, in die Luft ragenden Stämme die Wurzeln sein konnten. Sie konnten vielleicht der Luft die Feuchtigkeit entziehen. Aber wovon ernährte sich die Vegetation?
    Während er darüber nachdachte, hörte er einen zirpenden Ton. Dann glitten hinter einem Blatt zwei lange, zitternde
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