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Isis

Isis

Titel: Isis
Autoren: Brigitte Riebe
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Residenz der Kuschiten blieb.
    Eine Mauer schützte die »Siegreiche«, so der offizielle Name Wasets, vor Feinden, ausgedehnte Kanal- und Gartenanlagen verschönerten sie. Immer noch prachtvollere Bauwerke erhoben sich östlich des großen Flusses, der seit jeher das Ufer der Lebenden vom westlichen Totenreich trennte. Aber was waren schon die Lehmziegelbauten, was war selbst der mehrflügelige Palast des jüngst verstorbenen Pharaos Taharka gegenüber dem Haus für die Ewigkeit?
    Was einzig und allein zählte, war die Tempelstadt von Ipet-swt, erbaut zum Ruhm und zur Ehre des Gottes Amun-Re, dem wahren Herrscher Wasets. Als der gewaltige Säulenkiosk in Taharkas glücklichsten Regierungsjahren entstand, blieb Basa nichts anderes übrig, als ihr unaufhörliches Wachstum in den Himmel voller Sehnsucht und Neid zu verfolgen. Jahre später entschloss sich der Stadtfürst Montemhet, eine Osiris-Kapelle im Heiligtum errichten zu lassen, und beauftragte Basa damit. Nächtelang fand der Baumeister vor Aufregung keinen Schlaf mehr. Ein Teil seines früheren Lebens steckte noch immer wie ein Knochen in seiner Kehle, und kein noch so prall gefüllter Goldsack, kein noch so demütiges Wimmern einer Frau konnte etwas daran ändern. Aber er wusste nun, dass er die Schatten der Vergangenheit besiegen konnte — endgültig. Und nicht einmal der böse Geist seiner Mutter konnte ihn daran hindern.
    Montemhet hatte ihn bei Baubeginn gemustert, als sei er durchsichtig wie helles Glas. »Eigentlich bist du ein Krieger, Basa. Mit schnellen Kamelen hast du begonnen, in der Wüste Nagas, zwischen Dünen und in flirrender Hitze. Inzwischen führst du deinen Kampf mit Steinquadern und Balkenkonstruktionen. Du willst hoch hinaus, sehr hoch, und wenn es einem gelingen wird, dann wahrscheinlich dir.« Der Stadtfürst strich sich über das markante Kinn, ein seltsamer Gegensatz zu seinen sonst eher weichen, fast weiblichen Zügen, über denen stets ein Hauch von Melancholie zu liegen schien.
    »Solange jedoch der Skorpion des Hasses in deinem Herzen wohnt, wirst du niemals Ruhe finden.«
    Wie gelähmt hatte Basa zugehört, unfähig zu einer Reaktion.
    Montemhet hatte seinen Arm berührt, nur einen Lidschlag lang, was Basa kaum ertragen konnte, und sich dann abgewandt. Niemals mehr war er auf seine seltsame Äußerung zurückgekommen, auch nicht, als die Kapelle längst fertig und ihrer Bestimmung zugeführt war. Dennoch hatte es gedauert, bis Basa sich ihm wieder halbwegs unverkrampft nähern konnte, ohne sich entblößt vor ihm zu fühlen. Und bis zum heutigen Tag war ein Gefühl tiefer innerer Unsicherheit in ihm zurückgeblieben.
    Inzwischen war er vor Montemhets Stadtpalais angelangt, einem erlesen eingerichteten Anwesen, das wie die meisten Häuser der Oberschicht einen eigenen Anlegeplatz besaß.
    Die Mauer, die den Garten umschloss, war nicht hoch genug, um jeden Einblick zu verwehren. Stimmengewirr und undefinierbare Geräusche drangen vom Ufer herüber. Unwillkürlich stellte sich Basa auf die Zehenspitzen. Dunkelhäutige Männer waren damit beschäftigt, schwere Holzkisten auf. zwei bauchige Lastsegler zu laden, die hintereinander geankert zur Abfahrt bereit schienen. Auf keinem von beiden konnte er das Wappen Montemhets entdecken, die blaue Lotosblüte, die jeden seiner Erlasse zierte und sich als Schmuckfries überall in seinem Haus wiederfand.
    Für einen Augenblick erfasste Basa leichter Schwindel, und seine Handflächen wurden feucht. Was, wenn der Stadtfürst plante, ohne großes Aufsehen mit seinen wertvollsten Schätzen stromaufwärts zu segeln? Das würde bedeuten, dass Pharao Tanutamun die Stadt bereits aufgegeben hatte, um sie schutzlos den Truppen Aschurbanaplis zu überlassen.
    Dann jedoch wurde Basa wieder ruhiger.
    Gemeinsam hatten sie den Gefahren der westlichen Wüste getrotzt und den großen Fluss bis hinauf zum vierten Katarakt befahren, wo Napata lag, die sagenhafte Hauptstadt der Kuschiten. Montemhet verdankte er seinen Aufstieg, seinen Reichtum, in gewisser Weise sogar das Leben. Unterwegs hatte er unzählige Male Gelegenheit gehabt, den Charakter des Stadtfürsten zu studieren, und den Reisen waren Jahre ertragreicher Zusammenarbeit in Waset gefolgt. Mochte sein Gönner auch ein Meister der politischen Intrige sein, immer wieder zu Entschlüssen fähig, die alle vor den Kopf stießen — bestimmt aber war er kein Feigling und Verräter, der seine Stadt im Stich lassen würde.
    »Du kommst spät.«
    Es lag kein
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