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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Richteramt auf dich übertragen wurde.«
    »Dann muss es wirklich wichtig sein.«
    Sie bogen gerade in das Heckenrondell ein, nicht weit hinter dem Haus der Richter Neschans. Die Rosensträucher wiesen schon junge Triebe und saftig grüne Blätter auf, aber die Blüten warteten noch auf ihre Jahreszeit. Nur ein Strauch erstrahlte wie immer in seiner ganzen Pracht.
    »Kannst du dich an die Tränenland-Prophezeiung erinnern, Geschan? Aber natürlich entsinnst du dich. Du besitzt ja den Stab. Ein Teil der besagten Prophezeiung erfüllte sich, als du vor drei Jahren hier im Garten der Weisheit eintrafst. Es geht darin um den siebten Verwalter, den der König des Tränenlandes ausgesandt hatte, damit er dem verwerflichen Treiben des bösen Fürsten Einhalt geböte. Du kennst die Bedeutung dieses Gleichnisses?«
    Yonathan nickte. »Der König steht für Yehwoh, der böse Fürst ist Bar-Hazzat und durch den Verwalter wird der siebte Richter dargestellt. Richtig?«
    »Richtig. Wenn du so gut Bescheid weißt, dann kannst du mir sicher auch erzählen, was geschah, nachdem der siebte Verwalter ausgeschickt worden war.«
    »Er legte den Fürsten in Ketten und brachte ihn zum König. Der saß über seinen Widersacher zu Gericht und ließ ihn in einen tiefen Turm werfen.«
    Inzwischen waren Yonathan und Goel bei dem weiß blühenden Rosenstrauch angelangt und der alte Richter setzte sich auf eine Bank aus weißem Marmor.
    »Wieder richtig«, bestätigte er. »Du bist ein gelehriger Schüler, Geschan. Nun lass uns diesen Teil der Weissagung ebenfalls deuten: Wann gedenkst du eigentlich, Bar-Hazzat unschädlich zu machen?«
    Yonathan schluckte schwer. Er war Bar-Hazzat, oder vielmehr einem Sendbild des dunklen Herrschers, zweimal begegnet. Zuletzt, im Schwarzen Tempel von Abbadon, hätte es ihn beinahe das Leben gekostet. »Ich hatte gehofft, Bar-Hazzat würde Ruhe geben, sobald er feststellte, dass sein Plan, mich und den Stab Haschevet vom Garten der Weisheit fernzuhalten, fehlgeschlagen sei.«
    »Was ja auch nicht so falsch ist. Nachdem die Charosim der Welt die Nachricht überbrachten, dass der siebte Richter erschienen sei, wurden die schwarzen Priester, die Stellvertreter des dunklen Herrschers, überall aus den Städten und Dörfern verjagt. Die Ratten flüchteten in ihre Schlupflöcher zurück, an den Busen Bar-Hazzats, ihres finsteren Beschützers. Danach kehrte tatsächlich so etwas wie Friede ein.«
    »Leider nicht für lange.«
    Goel wurde jetzt sehr ernst. Er legte seinem Schüler eine Hand auf die Schulter und sagte: »Geschan, es fällt mir schwer, dir mitzuteilen, was zu sagen meine Pflicht ist.«
    »Ich ahne schon, was jetzt kommt.«
    »Du weißt, dass unsere vierzig Boten seit anderthalb Jahren immer beunruhigendere Berichte aus ganz Neschan mitbringen.
    Die schwarzen Priester Temánahs sind wieder aktiv geworden.
    Bar-Hazzat hat sich unerfreulich schnell von dem Schock deines Erscheinens erholt.«
    Yonathan konnte sich noch recht gut an den Tag erinnern, als er von Kitvar aus, mit dem Stab Haschevet auf dem Rücken, seine abenteuerliche Reise zum Garten der Weisheit angetreten hatte. Damals war er in den Straßen der kleinen Hafenstadt versehentlich mit einem jener schwarz gekleideten temánahischen Priester zusammengestoßen und hatte sich zu Tode erschreckt. Später erfuhr er, dass die weißhäutigen, glatzköpfigen Diener Bar-Hazzats auf der Suche nach dem Stab waren. Yonathan konnte nur von Glück sagen, dass sie keinen Gedanken daran verschwendet hatten, das kostbare Zeichen der neschanischen Richterschaft bei einem kaum vierzehnjährigen Knaben zu suchen.
    »Hatte dein Traum etwas mit diesen Priestern zu tun?«, fragte er besorgt.
    »Mit ihnen und mit noch viel Schlimmerem. Während meines Traums durchstreifte ich alle Regionen Neschans und überall sah ich das gleiche Bild. Grässliche Dinge gehen vor sich! Die schwarzen Priester praktizieren Kulte, die mehr als verabscheuungswürdig sind – selbst vor Kinderopfern schrecken sie nicht zurück.«
    »Aber wie können die Menschen so etwas dulden?«
    »Es gibt leider viele, die sich mit Hingabe jeder Art von Mystik widmen. Sie hoffen, Ansehen und Einfluss zu erlangen, indem sie geheimen Mächten huldigen. Aber das ist nicht einmal das Schlimmste.«
    Yonathan schaute seinen Meister fassungslos an.
    »Die weitaus größte Zahl ihrer Anhänger gewinnen die schwarzen Priester mit anderen Mitteln, durch eine schwer erkennbare Manipulation: Sie vergiften mit ihren
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