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Isartod

Isartod

Titel: Isartod
Autoren: Harry Kämmerer
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Risiko für unsere Beziehung, Beate.
    SO A SAUEREI
    Vormittag. Dosi und Hummel fuhren mit dem Auto die Floßlände entlang. Es nieselte. Hummel rauchte am offenen Fenster. Der CD -Player spielte Green Onions .
    »Booker T. and the MG s«, stellte Dosi fest.
    »Richtig«, sagte Hummel erstaunt. »Magst du so was?«
    »Klar. Du stehst auf Sixties?«
    »Ja. Sixties, Seventies – Soul!«
    Er sagte »Soul« im gleichen Tonfall, wie Lotte zu Werther am Fenster beim Gewitter »Klopstock« sagt. Bedeutungsschwer. Soul war ja tatsächlich der Schlüssel zu Hummels Herz.
    Dosi hatte zwar keine Ahnung von Goethe, aber sie verstand den Ton schon richtig, und Hummel redete einfach weiter: » Motown, Stax, Atlantic, Chess. Fast alles. Sechziger und Siebziger. Andere Zeit. Manchmal denk ich, ich hätte gerne damals gelebt.«
    »Na komm, Schmarrn! Die Sechziger in Bayern!«
    »Ich mein New York, Detroit, Philadelphia. Und du? Was magst du für Musik?«
    »Fifties. Rock ’n’ Roll. Buddy Holly, Chuck Berry. Und Elvis. Elvis – natürlich.«
    »Natürlich. Machst du Musik?«
    »Wie kommst du da drauf?«
    »Ich spiel Schlagzeug in einer Band. Wir machen Soul …«
    »Und ich tanze. Rock ’n’ Roll. Im Verein. Also früher. Ich war sogar mal niederbayrische Meisterin.«
    Er sah sie erstaunt an.
    »Rock ’n’ Roll ist keine Gewichtsfrage. Für Soul musst ja a ned schwarz sein.«
    Hummel nickte. »Wir singen sogar deutsch. Nein, bayrisch. What’s going on? heißt bei uns Was passt’n ned? « Er summte den Marvin-Gaye-Song und lächelte in sich hinein. »Und People get ready hieß D’Leit essn Radi . Wir heißen MSB – die Munich Soul Boys .«
    »Sauber. Bist ein cooler Typ, Hummel«, sagte Dosi.
    Hummel wusste nicht, ob er »Danke« oder »Du auch« sagen sollte.
    Da das Eis schon mal gebrochen war, hakte Dosi auch gleich mal wegen Zankl nach. Warum der denn so ekelhaft sei.
    So richtig eine Antwort hatte Hummel auch nicht darauf. Deshalb lenkte er ab: »Na, jedenfalls hatte Mader recht. Dass du für frischen Wind sorgst. Jetzt bist du erst einen Tag da, und ich fahr mit einer ausgewachsenen Sau im Kofferraum an der Isar rum.«
    »Maders Idee mit dem Kleidersack war ja auch ausbaufähig. Wir wollen sehen, in welchem Zustand eine Leiche am Schwimmbad ankommt.«
    »Was hast du denn deinem Spezl vom Schlachthof gesagt?«
    »Dass ich mit Kollegen ein Grillfest mach.«
    »Schmarrn.«
    »Ich hab ihm gesagt, dass wir eine neue Wärmebildkamera testen und die Sau im Wald verstecken. Ist doch besser als Tierverwertung, wenn man am Transport die Grätsche macht. Staatsbürgerliche Pflicht sozusagen.«
    Hummel lachte und drehte auf der Wendeplatte beim Stauwehr. Er suchte sich einen Parkplatz, der nicht sofort einsehbar war. Was egal war, denn bei dem Wetter waren keine Spaziergänger unterwegs. Er öffnete den Kofferraum. Und wurde ein bisschen nervös, als er die Sau an der borstigen Pfote packte. »Wenn uns einer sieht …«
    Dosi griff beherzt zu. »Dann ruft er die Polizei. Und die ist schon da. Endlich mal nicht zu spät.«
    Sie schleppten die Sau aufs Wehr.
    »Brauchst nicht so vorsichtig sein, die ist schon hin«, sagte Dosi.
    »Ich bin eher der Sensible«, sagte er und legte die Sau ab. »Hier, willst du auch?« Er reichte Dosi die Zigaretten.
    »Okay, wenn wir hier schon eine Sau zusammen versenken.«
    Sie rauchten und sahen aufs Wasser hinunter, genossen die Stille. Ein scharfer Sonnenstrahl schnitt durch die tiefgraue Wolkendecke. Das Wasser glitzerte.
    Hummel schnippte seine Kippe ins Wasser. »Okay, Dosi, pack ma’s!«
    Sie wuchteten das Vieh übers Geländer. Ein zäher halber Salto, und die Sau touchierte mit einer donnernden Arschbombe das Wasser.
    Und ward nicht mehr gesehen.
    »Na, servus«, sagte Dosi, als sie nach einer langen Sekunde immer noch nicht aufgetaucht war.
    »Mist«, fluchte Hummel.
    »Da vorn!«, schrie Dosi. Und rannte schon auf dem Böschungsweg der Sau hinterher, die ein erstaunliches Tempo vorlegte.
    Hummel heftete sich an ihre Fersen. Nur mit Mühe konnten sie mithalten. Starke Strömung. Definitiv. Zu ihrem Erstaunen passierte die Sau anstandslos die Bootsrutsche an der Floßlände. Nur noch ein paar Hundert Meter. Also konnte die Leiche doch … Nein, jetzt sahen sie es: Unmöglich, dass die Sau ihre Reise im Fanggitter des Schwimmbads beendete. Die Strömung zog sie weit hinaus in den breiten Isarkanal.
    »Schade, grad hab ich mich an sie gewöhnt«, sagte Hummel.
    »Zumindest wissen wir jetzt,
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