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Isarbrodeln

Isarbrodeln

Titel: Isarbrodeln
Autoren: Michael Gerwien
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holen.

35
     
     
    Sonntag, Viertel nach zwölf Uhr mittags. Halbzeitpause. Die üblichen gut 30 Zuschauer auf dem städtischen Sportplatz in den südlichen Isarauen diskutierten enttäuscht das bisherige Geschehen. Es stand zwei zu null für die Gäste aus dem Münchner Westend. Der FC Kneipenluft, der sein erstes Spiel ohne seinen besten Stürmer Giovanni Vitali bestritt, war so gut wie chancenlos. Auch der härteste Verteidiger des Vereins, Max Raintaler, konnte daran bisher nichts ändern. Aufgeben wollte er aber trotzdem nicht.
    »Herrschaftszeiten. Reißt euch doch endlich zusammen. Wir müssen gewinnen, Jungs!«, brüllte er, als er mit den anderen in der Garderobe saß und ärgerlich die Trauerbinde an seinem linken Arm zurechtzupfte. »Unsere Fans da draußen glauben an uns. Und Giovanni sind wir es auch schuldig.« Er war die ganze erste Halbzeit über mit gutem Beispiel vorangegangen und hatte sich trotz seiner für jeden erkennbaren Verletzung voll reingehängt.
    »Und für uns wollen wir es schließlich auch gewinnen. Oder etwa nicht?«, setzte Georg die Gardinenpredigt fort und erntete, wie Max vor ihm, zustimmendes Gemurmel für seinen Aufmunterungsversuch. »Wir müssen denen allen zeigen, dass mit uns weiterhin zu rechnen ist. Auch ohne italienischen Superstürmer. Jetzt sind unsere guten alten, deutschen Tugenden gefragt. Kondition und Willenskraft, verdammt noch mal.«
    »Aber die sind einfach zu stark«, widersprach Josef, der ansonsten immer lustige Torwart, resigniert. »Ohne Giovanni packen wir das nicht, fürchte ich. Wir brauchen jemanden, der Tore schießt.«
    »Es gibt auch noch andere Stürmer als Giovanni. Zum Beispiel mich«, entgegnete ihm Georg mit erhobenem Zeigefinger.
    »Stimmt. Aber Tore müssten halt auch fallen«, meckerte Josef weiter und trat ärgerlich mit dem Fuß gegen seinen Spind.
    »Lass du lieber nicht noch mehr Tore rein. Für den Rest sorgen wir dann schon, Josef.« Georg gab nicht klein bei. Und es traute sich auch niemand, ihm zu widersprechen. Schließlich war er der Hauptsponsor. Und der Hauptsponsor hatte immer recht. Alte Fußballerregel. Nicht nur an der Isar. Sondern auch im ganzen Rest der Welt.
    »Also los, Männer! Gebt alles!«, feuerte Max seine Kameraden noch mal an, als es wieder zurück aufs Spielfeld ging. »Kämpfen! Kämpfen! Und noch mal kämpfen. Für Giovanni und für uns!«
    Anstoß zur zweiten Halbzeit. Der gegnerische Mittelstürmer schnappte sich das Leder und tanzte wie ein Brasilianer durch die Abwehrreihen des FC Kneipenluft. Kurz vor dem Strafraum zog er ab. Josef sprang dem Ball entgegen. Und verfehlte ihn. Drei zu null. Jetzt verließ die Truppe aus Thalkirchen der letzte Mut. Das Spiel wurde einseitig. Fast nur noch der Gegner war am Ball. Das vier zu null ließ nicht lange auf sich warten. Und kurz vor dem Schlusspfiff fiel noch ein weiteres Tor. Endstand fünf zu null für die Gäste. Die Fans des FC zogen enttäuscht ab.
    »Wären wir doch lieber gleich in den Biergarten gegangen«, meinte ein übergewichtiger junger Jeansjackenträger mit rotem Gesicht und leerer Bierflasche in der Hand.
    »Ohne den Giovanni kommen die nie wieder auf die Beine«, unkte der kurz geschorene Managertyp im dunklen Sonntagsanzug, der neben ihm ging.
    Zurück in der Garderobe warf Josef wütend seine Torwarthandschuhe in die Ecke und fluchte lauthals über grottenschlechte, kreuzlahme Verteidiger und blinde Stürmer, die über ihre eigenen Füße stolperten, statt Tore zu schießen.
    »So sehen keine Sieger aus!«, plärrte er stocksauer. »So sehen Verlierer aus! Beschissene Verlierer, die keinen Funken Mumm in den Knochen haben!«
    »Jetzt mach aber mal halb lang, Josef«, entgegnete ihm Georg, während er sich auszog, um unter die Dusche zu gehen. »Wer hat denn fünf Tore reingelassen. Wir etwa?«
    Die zahlenmäßig höchste Niederlage seit Jahren. Die Stimmung war auf dem absoluten Nullpunkt.
    »Eins davon geht klar auf mein Konto, Schorsch. Das gebe ich zu. Aber die anderen vier hat die Mannschaft zu verantworten. Dem Max kann man keinen Vorwurf machen. Der hat trotz Verletzung sein Bestes gegeben. Aber der Rest der Truppe war einfach nur abgrundtief schlecht. Kein Pass ist angekommen. Kein Zweikampf wurde gewonnen. Leck mich doch alles am Arsch. Soll ich denn die Spiele demnächst alleine gewinnen?« Josef zog immer noch wütend seine Schuhe aus und schleuderte sie zu den Handschuhen in die Ecke. Trikot, Hose, Strümpfe und Unterhose folgten auf
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