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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Autoren: Mikka Bender
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kleine Reise zwischendurch. Zu faul, um mir viele Gedanken zu machen, wähle ich den bequemen Weg und suche mir in einem Reisekatalog ein kleines Hotel aus, drei Sterne, in einer Gasse im Hinterland der großen Hotelkomplexe von Side. Der boomende Touristenort, besonders bei Deutschen sehr beliebt, liegt zwischen Antalya und Alanya an der Türkischen Riviera. Mit dem Katalog unter dem Arm gehe ich ins nächste Reisebüro. Ich will wissen, ob ich die richtige Wahl getroffen habe. Und ich will buchen. Die Reiseverkehrskauffrau, die sich meiner annimmt, lässt auch gleich meine Vorfreude in die Höhe schnellen. «Da haben Sie sich ein schönes kleines Hotel ausgesucht, das kenne ich persönlich. Darauf können Sie sich richtig freuen. Die Sonne scheint den ganzen Tag, und die Türken sind so unheimlich freundliche Menschen. Ich spreche aus Erfahrung. Jedes Jahr fahre ich in dieses Land.»
    Drei Tage später fliege ich in die Sonne von Antalya. Von dort geht es mit fünfzig anderen Touristen im Bus nach Side. Ich habe Glück, denn mein Hotel wird als Erstes angefahren. Als Einziger steige ich aus, und kurz darauf stehe ich an der Rezeption.
    Der tatsächlich extrem freundliche Türke hinter dem Tresen erklärt mir in bestem Deutsch, jedes Zimmer in seinem Hotel sei unglücklicherweise gerade belegt: «Wir feiern Ramazan Bayrami, das Ende vom Ramadan. Da sind viele Freunde zu Besuch gekommen, denen wir die letzten freien Zimmer geben mussten. Ich konnte sie nicht abweisen, denn sie müssen sich von den Strapazen des Hungerns erholen. Immerhin haben die ja einen Monat nichts gegessen, das verstehen Sie doch, oder?»
    «Na ja, zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang konnten die ja schon was essen», erwidere ich. «Selbst der frommste Moslem hält es nicht aus, vier Wochen zu fasten, oder? Und wenn Ihr Hotel voll ist, verstehe ich nicht, wieso mein Reisebüro es noch buchen konnte?»
    «Das ist mir auch unverständlich. Reiseveranstalter in Deutschland müssten den Ramadan eigentlich kennen.»
    «Richtig, aber niemand in Deutschland kann ahnen, dass Sie offensichtlich gebuchte und bezahlte Hotelzimmer an Ihre Freunde vermieten, damit die sich mal wieder satt essen können.»
    «Wollen Sie jetzt mit mir streiten oder Urlaub machen? Zwei Nächte bringe ich Sie in einem kleinen schönen Hotel unter, und dann kommen Sie zu mir zurück – das ist doch ein Angebot!»
    Welche Einwände soll ich erheben? Mir fallen keine ein. Und schon fährt er mich mit seinem Suzuki in das kleine schöne Hotel, das nicht weit entfernt liegt. Das Ende des Fastenmonats wird auch hier gefeiert. Familienclans haben auf großen Plastiktischen rund um den Hotelpool Berge mit Speisen aufgebaut. Türkische Popmusik scheppert aus einem alten Ghettoblaster, die Frauen lachen, die Männer rauchen, und die Kinder pinkeln in den Pool. Ein paar Frauen sitzen tiefverschleiert am Beckenrand, andere tragen freizügige Badeanzüge. Bei den Männern ein ähnliches Bild: schwarzer Anzug mit Weste neben T-Shirt und Shorts. Eine schöne Atmosphäre, weit weg von jeder Fototapete.
    Ich beziehe mein Zimmer, das auch klein ist, sogar sehr klein, aber gar nicht schön aussieht. Das Badezimmer ist ein Spezial-Ramadan-Badezimmer. Geschwächt vor Hunger und Durst, kann sich der Gläubige auf die Klobrille setzen und sich gleichzeitig, ohne kraftraubendes Aufstehen und Umhergehen, die Zähne am Waschbecken putzen und sich abduschen. Toilettenpapier ist Fehlanzeige.
    Meine Habseligkeiten stapele ich auf einer Bettseite, eine andere Ablagefläche finde ich nicht. Aber was soll’s, ich will mich ja nicht im Zimmer aufhalten. Also stürze ich mich ins Ramazan-Getümmel am Pool. Gleich am ersten Plastiktisch angekommen, werde ich eingeladen, mitzufeiern. Jeder gibt mir die Hand und stellt sich vor. Familie Aydin hat viele Jahre in Neuss gelebt, und Vater Aydin will sofort meine rheinischen Kenntnisse testen.
    «Waren Sie schon mal in Neuss auf dem Schützenfest?», fragt er.
    «Na klar», antworte ich. «Es ist doch das größte in Deutschland. Ich bin in Mönchengladbach geboren, das liegt geradewegs um die Ecke.»
    «Mensch, in Mönchengladbach! Am Bökelberg?»
    «Nicht direkt, aber da war ich viele Jahre Stammgast bei der Borussia, auf der Nordtribüne.»
    «Da hätten wir uns treffen können, ich war da nämlich auch oft.» Er gibt mir nochmals die Hand und sagt: «Ich heiße Malik, und du?»
    «Mikka, schade, dass wir uns damals noch nicht kannten.»
    Wir schnappen uns
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