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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn
Autoren: Dean R. Koontz
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den Anrufer weder ein- noch ausatmen, als wäre der Bursche tot und bräuchte keine Luft mehr.
    Egal, ob es sich nun um einen Scherzbold oder etwas Schli m meres handelte, er wollte Billy verhöhnen und einschüchtern. Deshalb verweigerte ihm dieser die Genugtuung eines dritten Hallos.
    Die beiden lauschten gegenseitig ihrem Schweigen, als hätte man von reinem Nichts etwas erfahren können.
    Nach etwa einer Minute fragte sich Billy allmählich, ob die Person am anderen Ende der Leitung womöglich nur in seiner Fantasie existierte.
    Falls er tatsächlich mit dem Urheber der Botschaft verbunden war, dann war es ein Fehler, als Erster aufzulegen. Das würde als Zeichen von Angst oder zumindest von Schwäche interpr e tiert werden.
    Das Leben hatte Billy gelehrt, geduldig zu sein. Außerdem gestand er es sich zu, von anderen ab und zu mal für töricht gehalten zu werden, weshalb er sich deshalb keine Sorgen machte. Er wartete.
    Als der Anrufer auflegte, bewies das charakteristische Klicken dieses Vorgangs, dass er tatsächlich vorhanden gewesen war. Dann kam das Amtszeichen.
    Bevor Billy sich weiter mit seinem Sandwich beschäftigte, machte er die Runde durch seine vier Zimmer und das Bad. An allen Fenstern ließ er die Jalousien herunter.
    Am Küchentisch verzehrte er das Sandwich und zwei Essi g gurken. Dann trank er ein zweites Bier, diesmal ohne Bourbon.
    Er besaß keinen Fernseher. Unterhaltungssendungen langwei l ten ihn, und auf die Nachrichten konnte er verzichten.
    Seine Gedanken waren das Einzige, was ihm beim Essen Gesellschaft leistete. Er ließ sich dabei nicht mehr Zeit, als unbedingt nötig war.
    Das Bücherregal an der einen Wand des Wohnzimmers reichte vom Boden bis zur Decke. Früher war Billy ein unersättlicher Leser gewesen.
    Vor drei Jahren, zehn Monaten und vier Tagen hatte er dann das Interesse am Lesen verloren. Die gemeinsame Liebe zu Büchern, zu Prosa jedes Genres, hatte ihn und Barbara zusa m mengeführt.
    Auf einem Regalbrett stand eine Gesamtausgabe des Werks von Charles Dickens, die Barbara ihm zu Weihnachten g e schenkt hatte. Dickens war ihr Lieblingsautor gewesen.
    Inzwischen musste Billy sich ständig mit etwas Praktischem beschäftigen. Einfach mit einem Buch im Sessel zu sitzen, ließ ihn unruhig werden. Er fühlte sich dann irgendwie verwundbar.
    Außerdem enthielten manche Bücher beunruhigende Ideen. Sie brachten einen dazu, über Dinge nachzudenken, die man vergessen wollte, und selbst wenn diese Gedanken unerträglich wurden, konnte man sie nicht unterdrücken.
    Die Kassettendecke des Wohnzimmers war eine Folge des Bedürfnisses, sich ständig zu beschäftigen. Jede Kassette war am Rand mit klassizistischen Zierleisten geschmückt. In der Mitte befand sich jeweils ein Büschel Akanthusblätter, das Billy von Hand aus Weißeichenholz geschnitzt und gebeizt hatte, damit es zum Mahagoni der Kassetten passte.
    Der Stil dieser Decke hingegen passte weder zu einem Bloc k haus noch zu einem Bungalow. Das war ihm egal. Wichtig war nur, dass das Projekt ihn monatelang in Anspruch genommen hatte.
    Im Arbeitszimmer befand sich eine Kassettendecke, die noch überladener war als die im Wohnzimmer.
    Er ging nicht zum Schreibtisch, wo der unbenutzte Computer ihn verhöhnte. Stattdessen setzte er sich an einen Werktisch, auf dem sein Schnitzwerkzeug lag.
    Außerdem waren dort Klötze aus Weißeiche aufgestapelt, die einen angenehm süßen Holzgeruch verströmten. Sie waren das Rohmaterial für die Ornamente, mit denen er die Schlafzimme r decke ausstatten wollte, die momentan lediglich weiß verputzt war.
    Auf dem Tisch stand ein CD-Spieler mit zwei kleinen Lau t sprechern. Eine Scheibe mit Zydeco, kreolischer Folkmusik, war eingelegt. Billy drückte die Play-Taste.
    Er schnitzte, bis seine Hände schmerzten und ihm alles vor den Augen verschwamm. Dann schaltete er die Musik aus und ging zu Bett.
    Im Dunkeln auf dem Rücken liegend, starrte er an die Decke, die er nicht sehen konnte, und wartete darauf, dass ihm die Augen zufielen. Er wartete.
    Auf dem Dach hörte er ein Geräusch. Irgendetwas kratzte an den Zedernschindeln. Die Eule zweifellos.
    Die Eule stieß keinen Schrei aus. Vielleicht war es ein Wasc h bär. Oder etwas anderes.
    Er warf einen Blick auf die Digitaluhr auf dem Nachttisch. Zwanzig Minuten nach Mitternacht.
    Dir bleiben sechs Stunden, um dich zu entscheiden. Du hast die Wahl.
    Am Morgen würde alles wieder im Lot sein. Schließlich war es immer so. Na gut, nicht richtig im
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