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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss
Autoren: Markus Orths
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Stahltür meines leeren Hauses. Es folgte der Kassensturz: Vom Restgeld meiner Eltern blieb nicht mehr viel. Ich war erschrocken, wie wenig es war. Insgeheim hatte ich gehofft, es könnte reichen, um Tag und Nacht Sicherheitsbeamte zu beschäftigen, aber davon war keine Rede. »Wenn Sie Ihr Geld gut anlegen«, sagte der Notar, »wirft es monatlich genug Zinsen ab, um davon leben und die Stromrechnung bezahlen zu können, sechsundvierzig Kameras, Flutlichter, Neonlichter, die Monitore und die Computer, das schluckt einiges.«
    Ich nickte. Ich gab ihm den schriftlichen Auftrag, das Geld anzulegen und die Zinsen auf mein Konto zu überführen. »Gibt es sonst noch was, woran ich denken muss?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte der Notar, »Sie sind jetzt frei.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte ich.
    »Darf ich mir noch eine Bemerkung erlauben?«
    »Ich wüsste nicht, wozu.«
    Ich ging in mein neues Zuhause, öffnete mit Schlüssel und Code die erste Tür, schloss sie ab, stand in dem noch nach Farbe riechenden Eingangsräumchen, ging durch die zweite Tür in die Halle, stieg durch die dritte Tür ins Treppenhaus und nach oben und durch die vierte Tür in mein Reich. Dort trat ich ans Fenster und gab den Männern das verabredete Zeichen. Die Menschen verschwanden. Marc Antonius als Letzter. Er hatte irgendwann alle Bluthunde gefüttert und sah zu mir hoch. Ich winkte, er winkte zurück, stieg in seinen Jeep, fuhr vom Grundstück und verriegelte das Tor.
    Dann war ich allein.
    2 – Er
    Von nun an, dachte ich, besteht mein Leben aus Verstreichen von Zeit. Ich blickte auf das, was mir geblieben war: eine Aussicht auf das, was kommen würde. Am offenen Fenster hörte ich nichts außer dem Rauschen des Waldes. Die Bäume standen dort. Sie konnten nicht weg. Mussten stehen bleiben, wo sie standen. Sie waren wie ich, die Bäume, Wurzeln, kein Weggehen mehr, nur noch ewiges Stehen am selben Platz. Sie schliefen nicht, wachten nicht, verbrachten die Zeit in ewiger Ununterschiedenheit. Aber, dachte ich, wenn jemand kommt und die Motorsäge ansetzt, haben sie nichts, was ihnen Schutz gewährt. Ich dagegen bin uneinnehmbar. Eine Festung. Niemand wird mich fällen können. Niemand hat eine Chance, mir die Beine abzusäbeln.
    Draußen wurde es langsam dunkel. Flutlichter sprangen an, meine dreiundzwanzig Außenkameras saugten alles auf, was vor sich ging. Ich setzte mich zum ersten Mal an meinen Überwachungstisch. Ein überwältigender Augenblick, als ich den Knopf drückte, der die Monitore in kollektivem Erwachen zum Leuchten brachte. Ich thronte in der Mitte, vor mir der große Computerbildschirm. Rechts und links je dreiundzwanzig kleine Kontrollmonitore. Ich blickte auf die Bilder der Innenkameras. Die Halle unten lag in blendend weißem Neonlicht. Meine Zimmer im oberen Geschoss waren fast leer, nur wenige Möbel, ein Futon, ein Esstisch, ein Stuhl, noch nicht mal ein Schrank, neben dem Futon lagen zwei Sport- und zwei Schlafanzüge, ein Haufen Wäsche, Turnschuhe. Die Pantoffeln und den dritten Sportanzug trug ich auf dem Leib. Es gab keine Regale, keine Bücher, keine Bilder, keinen Firlefanz, nichts, nur Leere und Helle. Auch auf den Außenkameras war nichts zu sehen. Alles war still.
    Ich konnte mit dem Leben beginnen.
    Der erste Tag in meinem neuen Zuhause, ich würde über alles entscheiden, was hier drinnen geschieht, ich würde das Leben gestalten können, so, wie ich es wollte, ich brauchte niemandem Rechenschaft abzulegen, hatte nur mich allein, es gab keine Vorgegebenheiten, keine Regeln. Ich musste alles neu erfinden, es war an mir, die Leere zu füllen. Ich hatte alles in die Bahnen gelenkt, in die ich es hatte lenken wollen, es gab nur noch mich und als einzigen Kontakt zur Außenwelt Marc Antonius, den Bluthundhalter. Er wird täglich aus dem Dorf kommen, um die Bluthunde zu füttern. Einmal die Woche, jeden Dienstag, wird er eine große Kiste mit Lebensmitteln in den Eingangsbereich stellen. Aber vor allen Dingen war ich: sicher. Mir konnte nichts geschehen. Wischnewski, Kuttner und Gonzales würden es nicht schaffen, über die Mauer zu springen, und wenn sie es schafften, über die Mauer zu springen, würden sie es nicht schaffen, die Bewegungsmelder zu umgehen, und wenn sie es schafften, die Bewegungsmelder zu umgehen, würden sie es nicht schaffen, an den Bluthunden vorbeizukommen, und wenn sie es schafften, an den Bluthunden vorbeizukommen, würden sie es nicht schaffen, durch den doppelt gesicherten
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