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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion
Autoren: Will Elliott
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eine Robe oder ein langes Gewand trug. Es war schwer auszumachen, ob die Stimme zu einem Mann oder zu einer Frau gehörte, aber es schien, als redete die Person mit sich selbst. Zumindest war sie allein unterwegs. Aber nein – Aden hörte deutlich zwei Stimmen, die in ein Gespräch vertieft waren.
    Die Gestalt kam an seinem Versteck vorbei – ein Mann, wenn Aden sich nicht täuschte – und blieb ein paar Schritte weiter stehen. Der Fremde drehte sich einmal langsam um die eigene Achse und starrte dann in die Finsternis, aus der er eben aufgetaucht war. Aden presste sich gegen die Rinde des Stammes. Der Mann schaute eine Minute lang nach hinten, ehe er weiterging, hastiger jetzt, tapp, tapp über die Pflastersteine. Aden folgte ihm im Schutz der Bäume und spärlichen Sträucher, welche die Straße säumten; er war so nahe, dass er die Stimmen hören konnte. Die erste war unverkennbar nervös und eine Spur weinerlich. »Da hinten war jemand, das habe ich ganz deutlich gespürt – außer meine Nerven spielen mir schon wieder einen Streich.«
    Die zweite Stimme klang lässig und gedehnt. »Vielleicht Kanonenfutter auf Abwegen?«
    »Nein. Die Truppen wurden nach Norden geschickt. Und … äh … nenn sie bitte nicht so! Vor allem nicht jetzt, da wir möglicherweise belauscht werden. Du kennst die Regel: Behandle sie stets mit Respekt! Sie sind Soldaten , kein Kanonenfutter. Auf die Sichtweise kommt es an. All die Orden und Medaillen, die wir verteilen! Du liebe Güte! Nun denn, was wolltest du sagen?«
    »Dass ich keine Ahnung habe, wer sonst noch unterwegs sein könnte. Die Dorfbewohner schlafen. Die lassen sich nachts nie im Freien blicken. Außerdem wird die Uhr angehalten. Was bewegt sich außerhalb der Zeit? Nur die Armee.«
    »Verdammt!«, ereiferte sich die erste Stimme. »Lass es endlich gut sein! Alles ist unter Kontrolle. Was wolltest du sagen? «
    Eine Pause, erfüllt vom Tapp-Schlurf der Schritte. Die zweite Stimme klang jetzt sanft. »Ich wollte sagen, dass deine Tat – analytisch betrachtet, wohlgemerkt – Mord war.«
    »Unerhört!« Die erste Stimme klang beleidigt. »Ich kann es nicht glauben – von allen hastigen Urteilen – hör mal, warum zum Henker habe ich dich erschaffen?«
    »Du hast das Thema aufgebracht. Du hast die Frage nach einer rechtlichen Bewertung der Tat gestellt.«
    Die verschwommene Gestalt fuchtelte mit einem Arm heftig vor dem Hintergrund der Sterne herum. »Ja! Aber deine Sprache! Brutal! Zeichnet ein völlig falsches Bild! Ständig sterben Menschen! Völlig normal das. Meine ›Tat‹. ›Mord.‹ Beschwört die Vorstellung von einem, der mit gezücktem Dolch durch Hecken schleicht, um einen ahnungslosen Unschuldigen beim Picknick abzustechen. So war das nicht, ganz und gar nicht.«
    »Oh?«
    »Keine Hecken, so viel steht fest. Keine Picknicks. Der Erdolchte in diesem Fall mehr als unansehnlich. Höchst asymmetrisches Gesicht. Schlupflider. Missgestaltet, fürchterlich missgestaltet. Ein Monster. Und aus deinem Mund klingt es so … hör zu. Unüberlegt? Ganz und gar nicht! Gedankenlos? Keineswegs. Vielmehr in allen Tiefen ausgelotet. In allen geistigen Tiefen.« Der Mann ging schneller, als wäre er verärgert. Aden hatte alle Mühe, ihm geräuschlos zu folgen.
    »Aber kommen wir noch einmal zur Unschuld des Opfers«, sagte die zweite, gedehnte Stimme mit einem leichten Zungenschlag. »Der Junge war Waise, nicht wahr? Hatte er ein Verbrechen begangen?«
    Aden konnte immer noch nicht erkennen, woher die zweite Stimme kam. Die weit ausholenden Gesten und der immer wieder erhobene Zeigefinger ähnelten immer mehr einem Diktator, der eine Rede schwang. »Aha! Jetzt habe ich dich erwischt! Wie kannst du behaupten, das Leben eines Waisen besitze einen höheren Wert als sonst ein Leben? Du versiehst es sozusagen mit einem Preisschild und schreibst damit die Hälfte der Bevölkerung ab! Erklärst sie für wertlos! Das ist Massen mord. Genozid. Ha! Erwischt! War mein Leben nicht ebenso viel wert wie das seine?«
    »Darum geht es nicht. Die Frage ist, ob sein Leben geringer einzuschätzen war als der Zweck, den du mit seinem Tod …«
    »Ah, jetzt mach aber mal einen Punkt! Opfer, Angreifer, wie bei einem ordinären Überfall in einem mondbeschienenen Hinterhof. Es gab kein Mondlicht. Keinen Hinterhof. Und ja, ich muss gestehen, dass ich es morbid finde, wie du seine Herkunft oder, mehr noch, seine Elternlosigkeit unterstreichst. Mit anderen Worten, es zeigt sich deutlich, auf
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