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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit
Autoren: Cordwainer Smith
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war und die rosige, frische Farbe aufwies, die viel Bewegung verschafft, war Gaucks Haut wie ranziges Schmalz, schmierig, graugrün, kränklich selbst dann, wenn es ihm gutging.
    Gaucks Augen waren leer und klein. Sein Blick war so kalt und hart wie der Tod. Gauck besaß keine Freunde, keine Feinde, keine Überzeugungen, keine Begeisterung. Selbst Gausgofer fürchtete sich vor ihm.
    Gauck trank niemals, ging niemals nach draußen, erhielt nie Post, schickte nie Briefe ab, sprach nie ein unüberlegtes Wort. Er war niemals grob, niemals sanft, niemals freundlich, niemals wirklich zurückhaltend; er konnte nicht mehr zurückhalten als die ständige Zurückhaltung seines ganzen Lebens.
    Rogow hatte sich in der Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers an seine Frau gewandt, sobald Gausgofer und Gauck eingetroffen waren, und hatte gefragt: »Anastasia, ist dieser Mann krank?«
    Cherpas verschränkte die Finger ihrer schönen, ausdrucksvollen Hände. Sie, die bei tausend wissenschaftlichen Versammlungen Witz gezeigt hatte, fand nun keine Worte. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck sah sie zu ihrem Mann auf. »Ich weiß es nicht, Genosse … Ich weiß es einfach nicht …«
    Rogow lächelte sein amüsiertes, slawisches Lächeln. »Zumindest bin ich überzeugt, daß es Gausgofer ebenfalls nicht weiß.«
    Cherpas lachte schnaubend und griff nach ihrer Haarbürste. »Das stimmt. Sie weiß es wirklich nicht, oder? Ich vermute, sie weiß nicht einmal, wem er Bericht erstattet.«
    Diese Unterhaltung war in der Vergangenheit verschwunden. Gauck, Gausgofer, die blutleeren Augen und die ausdruckslosen Augen – sie waren geblieben.
    Jedes Abendessen nahmen die vier gemeinsam ein.
    Jeden Morgen trafen sich die vier im Laboratorium.
    Rogows großer Mut, seine eiserne Gesundheit und sein frischer Humor ließen die Arbeit fortschreiten.
    Cherpas’ brillanter Genius gab ihm neue Tatkraft, wann immer die Routine seinen prachtvollen Intellekt zu ersticken drohte.
    Gausgofer spionierte und beobachtete und lächelte ihr blutleeres Lächeln; manchmal, wenn Neugierde sie überkam, machte Gausgofer einzigartige, konstruktive Vorschläge. Sie verstand nie den eigentlichen Sinn ihrer Arbeit, aber sie kannte sich gut genug mit den mechanischen und ingenieurwissenschaftlichen Details aus, um gelegentlich sehr nützlich zu sein.
    Gauck kam herein, nahm stumm Platz, sagte nichts, tat nichts. Er rauchte nicht einmal. Er war niemals nervös. Er ging niemals schlafen. Er beobachtete nur.
    Das Laboratorium wuchs, und mit ihm wuchs das gewaltige Gebilde der Spionagemaschine.
     
3
     
    In der Theorie war das, was Rogow vorgeschlagen und Cherpas fortgeführt hatte, vorstellbar. Es bestand aus dem Versuch, eine integrierte Theorie für all die elektrischen und Strahlungs-Phänomene auszuarbeiten, die das Bewußtsein bestimmten, und so die elektrischen Funktionen des Geistes nachzuahmen, ohne das tierische Material zu benutzen.
    Die Zahl der potentiellen Produkte war ungeheuer groß.
    Das erste Produkt, um das Stalin ersucht hatte, war ein Empfänger, der – falls möglich – sich in die Gedanken eines menschlichen Geistes einschalten und diese Gedanken entweder über eine Lochstreifenmaschine, eine Fortentwicklung des deutschen Hellschreibers, aufzeichnen oder in phonetischer Sprache wiedergeben konnte. Falls der Prozeß umkehrbar war und die Maschine, die die Gehirnprozesse simulierte, nicht als Empfänger, sondern als Sender arbeitete, war es vielleicht möglich, lähmende Wellen abzustrahlen, um so die Gedankenprozesse zu unterbrechen oder ganz zu beenden.
    Im besten Falle konnte Rogows Maschine dazu dienen, über große Entfernungen menschliche Gedanken zu verwirren, menschliche Ziele zu verunsichern und ein elektronisches Störsendersystem zu errichten, welches das menschliche Bewußtsein ausschaltete, ohne daß man dafür Röhren oder Empfänger benötigte.
    Er hatte Erfolg – teilweise. Im ersten Jahr seiner Arbeit hatte er sich selbst schreckliche Kopfschmerzen zugefügt.
    Im dritten Jahr hatte er eine Maus über eine Entfernung von zehn Kilometern getötet. Im siebten Jahr hatte er Massenhalluzinationen und eine Selbstmordwelle in der Nachbarstadt ausgelöst. Das war es, was Bulganin so beeindruckt hatte.
    Rogow arbeitete nun an dem Empfängerteil. Niemandem war es bisher gelungen, die unbeschreiblich schmalen, unbeschreiblich subtilen Strahlungsfrequenzen zu ermitteln, die einen Menschen von dem anderen unterschieden, aber Rogow versuchte es, um
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