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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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nächtlichen Eskapade Schuldgefühle in ihr zu regen. Es mußte an ihrer Leidenschaft für diese verdammten Longdrinks liegen, daß sie sich so mir nichts dir nichts hatte herumkriegen lassen. Es war auch weniger die Sache an sich, deretwegen sie sich grämte, sondern mehr die Art, wie sie abgelaufen war — vollkommen unpersönlich, beinahe mechanisch. Jenny, die sie so noch nie erlebt hatte, hatte ihr, als sie ging, zu dieser, wie sie meinte, neuen Spontaneität gratuliert, aber sie selbst hatte sich eher deprimiert gefühlt und in ihrer Selbstachtung gekränkt. Als sie wieder zu Hause gewesen war, hatte sie sich sofort ins Bett geflüchtet. Doch der Schlaf war wenig erholsam gewesen. Sie hatte sich unruhig hin- und hergewälzt und war immer wieder wach geworden, weil ihr die Bettdecke heruntergerutscht war. Und alle Versuche, sich zu sagen, daß das Ganze schließlich kein Beinbruch gewesen sei, hatten nichts bewirkt.
    In der Hoffnung, wenigstens ihre Kopfschmerzen, wenn schon nicht den seelischen Kater, zum Verschwinden zu bringen, beschloß sie, als erstes zwei Aspirin zu nehmen. Dann zog sie sich an, trank zwei Tassen schwarzen Kaffee, der so heiß war, daß sie sich fast den Mund verbrannt hätte, packte ein paar Toilettenartikel und ein Nachthemd ein und verließ ihre Wohnung. Zum Hotel waren es zu Fuß kaum mehr als zwölf Minuten, und sie beschloß zu laufen. Die frische Luft konnte ihr nur guttun. Das Wetter hatte sich über Nacht verschlechtert, es war kälter als am Vortag. Im Wetterbericht war von Wolkenfeldern die Rede gewesen, die das Land von Norden her überquerten und am frühen Nachmittag die Midlands erreichen sollten. Es sei mit Schneefällen zu rechnen. Noch in der vergangenen Woche hatten die Buchmacher, nachdem es zehn Jahre hintereinander zu Weihnachten nicht mehr geschneit hatte, Wetten auf eine weiße Weihnacht angenommen. Weitere Wetten dieser Art würden sie inzwischen, da Schnee nun nicht mehr unmöglich erschien, sondern beinahe Gewißheit war, vermutlich nur ablehnen.
    Sarah Jonstone allerdings gehörte nicht zu denen, die gewettet hatten, obwohl Ladbrokes in Summertown eine Filiale unterhielt, die, wenn sie zur Arbeit ging, auf ihrem Weg lag. Auch heute kam sie wieder an dem kleinen Geschäft vorbei. Und genau in diesem Moment trat ein Mann Anfang Fünfzig, grauhaarig, mit beginnender Glatze, durch die Schwingtür nach draußen. Früher war er vermutlich einmal schlank gewesen, doch inzwischen mußte er kräftig zugenommen haben, denn sein schäbiger brauner Regenmantel spannte über Brust und Bauch. Er hielt den Blick gesenkt und war im Begriff, den länglichen rosa Wettschein in der Tasche zu verstauen. Sie starrte ihn entgeistert an. Was für Zufälle es doch gab! Erst gestern abend war ihr dieser Mann, den sie vorher noch nie gesehen hatte, über den Weg gelaufen, als sie zu ihrer Freundin gegangen war, und nun sah sie ihn heute morgen gleich wieder. So etwas passierte einem manchmal mit einem unbekannten Wort. Man hatte es nie vorher gehört, aber dann, wenn man einmal darauf gestoßen war, begegnete man ihm in kürzester Zeit gleich zum zweitenmal. Sein Gesicht und seine Gestalt hatten sich ihr eingeprägt, weil sie ihn sich aus einem ihr unerfindlichen Grund genauer angesehen hatte, als er ihr entgegengekommen war. Und er mußte ihren Blick gespürt haben und hatte sie ebenfalls einen flüchtigen Moment lang intensiv gemustert, so daß sie einen leichten Schauder der Erregung verspürt hatte.
    Es wäre vermutlich eine Enttäuschung für sie gewesen, wenn sie gewußt hätte, daß sein interessierter Blick vor allem dem orangefarbenen Licht der Straßenlaternen zuzuschreiben war, das die Konturen ihrer Wangen betont und den Rest ihres Gesichts in geheimnisvollem Dunkel gelassen hatte. Und ohnehin hatte er sie, kaum waren sie aneinander vorbei, vergessen, sein Bier im Friar war ihm allemal wichtiger.

Kapitel Fünf

DIENSTAG, 31. DEZEMBER

    Ernsthafter Sport hat nichts mit Fair Play zu tun. Er ist verknüpft mit Haß, Neid, Angebertum und der Mißachtung aller Regeln.
    George Orwell

    In Anbetracht der Tatsache, daß Sarah die Nacht vom 30. zum 31. Dezember eher unruhig verbracht hatte, ist es nicht verwunderlich, daß ihr Gedächtnis, als am Neujahrstag die polizeilichen Ermittlungen begannen, eher einer ungeordneten Kartei glich und sie Zeiten, Menschen und die Abfolge von Ereignissen einfach nicht mehr ordnen konnte. Man hatte ihr kaum Ruhe gegönnt. Die Vernehmungsbeamten
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