Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Wortlos ließ er Hut und Stock auf den Tisch fallen und nahm Platz. «Habe Sie reingehen sehen und gedacht, ich könnte Ihnen ja etwas Gesellschaft leisten.» Er ließ seinen massigen Körper auf den Stuhl fallen und bellte: «Sie haben Kundschaft, Miss Pettigrew!»
    Polly schloß die Augen, als sie hinter dem Vorhang das scheppernde Geräusch von Geschirr hörte. «Schusselig», murmelte Sir Miles. Und zu Polly gewandt: «Sagen Sie, Miss Praed, schreiben Sie denn wieder an einem neuen Krimi? Ist ja schon eine Weile her, daß Sie mit einem rauskamen, aber die Kritiken haben Sie wohl etwas verunsichert. Sie müssen das anders sehen. Auf diese Idioten kommt es doch gar nicht an. Wie sich ein Buch verkauft, das zählt, stimmt’s? Sylvia sagte, daß in der Buchhandlung in Hertfield kein einziges Exemplar verkauft worden wäre. Nun ja …» Er strich sich das Haar glatt. An seinem Revers klebte etwas trockenes Eigelb; da sie es nicht zum erstenmal dort sah, fragte sich Polly, ob es immer dasselbe oder frisches war. «Wir werden Ihr Buch auf unsere Geschenkliste für Weihnachten setzen. Für die Haushälterin und die Köchin. Sylvia meinte zwar, daß die beiden sowieso schon zuviel Schund lesen – Filmzeitschriften und solchen Quatsch. Wo bleibt denn dieses hirnlose Geschöpf?» Er drehte sich ungeduldig auf seinem Stuhl um, als Miss Pettigrew kreidebleich hinter dem Vorhang hervorgetaumelt kam.
    «Ja, Sir Miles?» preßte sie zwischen den Lippen hervor. «Sie hätten nicht so zu brüllen brauchen. Mir einen solchen Schreck einzujagen!»
    «Sie sollten was für Ihre Nerven tun. Bringen Sie mir doch einfach eine zweite Tasse. Die Kanne reicht für uns beide. Was ist denn das?» Er stupste mit dem Finger gegen die Muffins auf dem Teller, den sie Polly hingestellt hatte.
    «Karottenmuffins.»
    «Allmächtiger! Bringen Sie mir mal ein Brötchen.»
    «Ich hab keine Brötchen, Sir Miles.»
    Er stieß einen lauten Seufzer aus. «Dann den Sardellentoast.»
    «Sie wissen doch, den gibt’s nur nachmittags.»
    Umständlich zog Sir Miles eine dicke Taschenuhr aus seiner Westentasche und klappte sie auf, um ihr zu beweisen, daß sein Zeitmesser sehr viel zuverlässiger war als der ihre. Allerdings war es doch erst zehn. Also begnügte er sich damit, zu bemerken: «So viele Kunden haben Sie nun auch wieder nicht, daß Sie sich solche Haarspaltereien erlauben können, oder?»
    Als Polly bemerkte, wie die schmale Gestalt der armen Miss Pettigrew zu zittern begann, schaltete sie sich ein: «Wenn es nicht zuviel Arbeit macht, Miss Pettigrew, hätte ich auch gern einen. Ihr Sardellentoast ist wirklich ausgezeichnet; die Leute schwärmen davon.»
    Während Miss Pettigrew etwas besänftigt nach hinten ging, sagte Sir Miles: «‹Ausgezeichnet?› Was ist denn daran so ausgezeichnet? Kommt doch nur aus der Büchse. Diese beschränkte Person braucht das Zeug nur aus der Büchse zu löffeln und auf eine Scheibe Brot zu legen. Aber es ist immerhin besser als diese Muffins –» Er stocherte wieder auf dem Teller herum. «Wie schafft sie es nur, daß ihre Muffins so mausgrau aussehen?» Er summte vor sich hin, während sie schweigend auf den Toast warteten.
    Polly war drauf und dran, ihren Vorsatz, Sir Miles niemals eine Frage zu stellen, zu vergessen, als Miss Pettigrew mit dem Tablett an den Tisch kam. «Zu dumm, wirklich, daß Sie gleich zwei Bestellungen auf einmal am Hals hatten», meinte er forsch-fröhlich. «Und daß Miss Praeds Muffins in der Zwischenzeit kalt geworden sind.»
    Mit steinerner Miene verschwand Miss Pettigrew hinter ihrem Vorhang.
    Den Mund voller Toast, bemerkte Sir Miles: «Das ganze Dorf scheint kopfzustehen. Erst diese gehässigen Briefe …» Er lächelte boshaft. «Das waren doch nicht etwa Sie? Fällt irgendwie in Ihr Fach.»
    «Anonyme Briefe und Kriminalromane sind doch wohl nicht dasselbe.»
    Er zuckte die Achseln. «Na ja, Sie haben ja auch einen gekriegt, es ist also ziemlich unwahrscheinlich, daß Sie es waren. Obwohl Sie damit vielleicht nur den Verdacht von sich lenken wollten. Toast?» Großzügig hielt er ihr den Teller unter die Nase. «Daß Mainwaring und Riddley einen kriegten, wundert mich ja nicht. Die beiden hängen ständig bei dieser Wey herum. Das ist auch so eine. Jetzt werden wir bald alles in den Zeitungen nachlesen können, und die Polizei wird überall nach dieser Leiche suchen –»
    Das war die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte. Beiläufig fragte sie: «Wer war denn das, ich meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher